Wer erinnert sich noch an illustrierte Bände über Dinosaurier? Mit ledrig schuppiger Haut blickt ein T-Rex den meist jungen Leser*innen vom Titelbild in die Augen. Das Maul stets geöffnet, so dass die Zähne durchblitzten. Wer sich traute, tiefer in die Welt der Dinosaurier einzutauchen, wurde von eigenartigen Kreaturen überrascht, von denen es hieß, dass sie einst unsere Erde bevölkert haben. Manche der abgebildeten Reptilien ähnelten Delphinen, andere hatten die Gestalt von Vögeln. Sie flogen durch die Lüfte des Bildbands. Besonders gut sind mir die Dinosaurier zu Land in Erinnerung: der Brachiosaurus mit seinem langen Hals, der Stegosaurus mit den vielen Kacheln am Rücken und der Allosaurus als kleiner, flinker Artverwandter des Tyrannosaurus. Knapp 25 Jahre nach meiner ersten Auseinandersetzung mit Dinosauriern, zog neulich ein Meme meine Aufmerksamkeit auf sich. Es fragte: Was, wenn Dinosaurier pelzig waren?
Ornitischia: Ausflug in die Paläontologie
Zunächst sei klargestellt: die Idee kuscheliger Dinosaurier ist schon mindestens 20 Jahre alt. 2014 schrieb Riley Black in einem National Geographic Artikel zum Stand der Forschung zu gefederten und pelzigen Dinosauriern, dass die Darstellung ledrig, schuppiger Dinosaurier veraltet sei. Das ist aus Perspektive der Wissenschaftskommunikation interessant.
Bildband: Erkenntnisgewinn oder Kompensation textbasierter Kommunikationsschwäche
Ich kannte Dinosaurier vor allem illustriert, schließlich hatte ich meine Dino-Phase als Kind, das keine langen Texte lesen konnte. Das bringt uns auch zum Dilemma des Bildbandes: Brauchen wir Bilder nur bis wir die Worte kennen, um ein Phänomen zu beschreiben? Hervorragend diskutiert von Nicola Mößner und hier zum Nachhören, erörtert die Philosophin die potentiellen Rollen visueller Darstellungen im Erkenntnisprozess. Für Kinder ist die Frage weniger umstritten: Patricia Sigg argumentiert im online Magazin element-i, dass bei der Betrachtung von Bilderbüchern neben der wissensorientierten Erkenntnis, eine weitere, ästhetische Erkenntnis dazukommt. Die ästhetische Erkenntnis umfasst die sensorische, kognitive, emotionale und soziale Wahrnehmung eines Objekts. Achten Sie auf ihre ästhetische Erkenntnis, wenn sie die hier gesammelten, großartigen Beispiele für beeindruckend illustrierte Wissenschaftsbände durchblättern!
Relationale Wahrheit: Seien wir uns nicht sicher
Ein zweiter Aspekt, den die Forschung über die Fluffigkeit von Dinosauriern ans Tageslicht bringt, betrifft die absolute Wahrheit wissenschaftlicher Aussagen. Wissen ist nicht statisch: es wird geformt und behält Gültigkeit nur in anerkannten Systemen. Inwiefern war es für die Illustratoren meines Bildbandes vorstellbar, einen Dinosaurier im Pelz zu zeichnen, kuschelig weich? Wissenschaft sei mehr Vorstellungskraft als Resultate meint zum Beispiel Tom McLeish im Online Magazin Aeon. Pointierter und kürzer beschreibt Arno Frank im Fluter fünf wahre Einsichten, die ausgehend vom Höhlengleichnis die Relationalität von Wissen und absolute Unwissenheit auch in vermeintlich faktenbasierten Wissenschaften bestätigen. Eventuell fehlten den Illustratoren meines Bildbandes Vorstellungskraft und Wissen, um einen pelzigen, fluffigen Dinosaurier zu ersinnen.
Memes: Nachfragen triggern
Bleibt die Frage, weshalb es ein Meme war, das mich dazu gebracht hat, die Visualisierungen von Dinosauriern aus meiner Kindheit in Frage zu stellen. Die ursprüngliche Definition des Begriffes „Meme“ stammt von Richard Dawkin. In seinem Buch The Selfish Gene bezeichnet Dawkin ein Meme als kulturelles Artefakt, dass sich schnell und unkontrolliert ausbreitet. Inzwischen gibt es reihenweise Forschung und Begleitberichte zur Verwendung von Memes auch im unmittelbaren Kontext von Wissenschaft. Karen R. Resendes beschreibt auf ASBMBToday wie ihre Studierenden im Biologiekurs begannen, in Memes zu kommunizieren. Lars Guenther und Kolleg*innen hingegen reflektieren in „Facts, Opinions, and Scientific Memes“, inwiefern Memes eine effiziente Methode zur Bekämpfung alternativer Fakten darstellen. Und wie Memes in der Kommunikation von Wissen im Detail funktionieren könnte, zeigen Diana K. Riser, Stephanie D. Clarke und Allison N. Stallwort in „Scientific Memes: Using the Language of Social Media to Improve Scientific Literacy and Communication Lifespan Development”.
Das fluffige Dinosaurier-Meme hat jedenfalls seinen Dienst getan. Es hat mich gezwungen nachzusehen und meine eigene Imagination von Erkenntnissen und Wissen aus dem Fachbereich der Paläontologie zu relativieren. Es hat mich dazu bewegt, mich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Wenn Meme’s das Erzielen, sollten wir sie nutzen. Wie? Inspiration gibt’s unter anderem auf Pinterest.