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RL #026: Umstrittene Forschung: Wie kommuniziert man heikle Science?

Über schwierige Themen, moralische Fragen, Forschungsethik und Interessenkonflikte in der Wissenschaftskommunikation. 

In der Wissenschaft gibt es Themenfelder, auf denen es vor kommunikativen Fallstricken nur so wimmelt. Themen, die gesellschaftlich kontrovers diskutiert werden, Forschung, bei der umstrittene Methoden und Technologien mit ungewissen Folgewirkungen zum Einsatz kommen. Sie erfordern Fingerspitzengefühl und Vorsicht wenn es darum geht ihre Resultate verständlich und zugänglich für eine große und öffentliche Zielgruppe zu kommunizieren. Oft sind es dabei ethische Fragen, die für intensiv geführte Diskussionen sorgen, weil verbreitete gesellschaftliche Wert- und Moralvorstellungen herausgefordert werden. Beispiele für solche Forschungsthemen sind etwa die anwendungsorientierte Gentechnologie, Tierversuche in den Life Sciences oder auch Aspekte der Gender Studies in den Sozialwissenschaften. 

Viele Wissenschaftler, die in solchen Bereichen tätig sind, wissen das. Sie kommunizieren behutsam und suchen nicht gerade die große Öffentlichkeit, um ihre Arbeit zu präsentieren und öffentlich diskutieren zu lassen. Denn wo öffentlich diskutiert wird, drohen nicht nur sachliche und fachliche Kritik, sondern auch unsachliche Kritik und Shitstorms. Forschende, die auf Kritik von außerhalb ihrer fachlichen Bubble stoßen, fühlen sich in aller Regel missverstanden. Und damit dürften sie oft Recht haben. Aktuelle Studien zeigen: Menschen, die zu kontroversen Forschungsthemen eine starke Meinung haben, schätzen ihr Wissen über diese Themen oft höher ein, als es tatsächlich ist.

Photo by Zuzana Ruttkayova: https://www.pexels.com/photo/brown-wooden-beach-dock-under-cloudy-sky-7225642/

Oh Lord, please don’t let me be misunderstood

Ein Forscher, der an einem der Projekte beteiligt ist, in denen Oikoplus als Partner für die Science Communication und Dissemination verantwortlich ist, drückte das gerade erst in einer eMail aus: „Our research requires that we are very careful with the information that is out there. I would like to avoid a situation of messaging getting misunderstood or misexplained. I could think of a gazillion ways this could go wrong in a spur of the moment.” Nun – es lässt sich kaum gänzlich ausschließen, dass Kommunikation missverstanden wird. 

Zumindest aber, gibt eine sehr simple Regel, die sich beachten lässt, wenn man wegen der Sensibilität eines Themas erhöhten Wert darauf legt, sachlich korrekt zu bleiben und möglichst Wenig Interpretations- und Auslegungsspielraum zu bieten: Vermeide Humor,  insbesondere in den sozialen Medien. Guter Humor ist die schwierigste Disziplin der Unterhaltung, und die meisten Pointen kommen nicht ohne Kollateralschäden aus, ohne Menschen, die sich getroffen und verletzt fühlen. Für die Wissenschaftskommunikation bei gilt deshalb meist, dass sie ernsthaft, höflich und korrekt zu sein hat. Oder aber, man wählt ganz bewusst den humorvollen Weg, auch wenn er vielleicht riskant ist. Über Humor in der  Wissenschaftskommunikation hat Kelleigh Greene für den Blog von Scientia geschrieben. Darin argumentiert sie, dass Humor und Wissenschaftskommunikation sehr wohl zusammenpassen.

Keine Angst vor der Zielgruppe

Vorsicht ist geboten, wenn heikle Theman kommuniziert werden. Jedoch sollte man seine Kommunikation auch nicht völlig der Vorsicht unterwerfen und dem Diskurs aus dem Weg gehen. Wissenschaft kann Kritik aushalten. Das heißt jedoch nicht, dass auch jede:r einzelne Wissenschaftler:in Kritik aushalten können muss. Was wir unseren Partner:innen aus der Wissenschaft immer wieder sagen: Keine Panik! Die lautesten Kritikerinnen und Kritiker im Diskurs sind in den seltensten Fällen repräsentativ für die Gesamtheit der Öffentlichkeit. Und manchmal täuscht besonders laut vorgetragene Kritik über leise Zustimmung hinweg. Am Beispiel der CRISPR/Cas9-Technologie haben Kommunikationswissenschaftler:innen der Universität Twente in den Niederlanden erhoben, welche unterschiedlichen Perspektiven es innerhalb der niederländischen Öffentlichkeit gegenüber dieser noch relativ neuen gentechnischen Methode gibt. Dabei griffen die Kommunikationsforscher:innen auf die Q Methode zurück, bei der Aussagen von Studienteilnehmer:innen (hier n=30) dem Zustimmungsgrad nach in eine Rangfolge gebracht werden. Es stellte sich heraus, dass die Teilnehmenden der CRISPR/Cas9-Technologie im Allgemeinen offen und optimistisch gegenüberstanden.

Photo by Edward Jenner: https://www.pexels.com/photo/photo-of-a-person-s-hands-holding-a-petri-dish-with-blue-liquid-4031369/

Die eigene Rolle bewusst machen

Das mag viele Wissenschaftler:innen, die an Gene Editing forschen, optimistisch stimmen. In jedem Fall hilft es Forschenden, sich mit den Zielgruppen ihrer Wissenschaftskommunikation zu beschäftigen. Dazu bietet es sich an, mit Expert:innen zusammenzuarbeiten. Wie eine solche Zusammenarbeit aussehen kann, zeigt zum Beispiel eine Untersuchung des Julius Kühn Instituts im deutschen Quedlinburg. Dafür haben sich die dort forschenden Genetiker:innen mit Kommunikationswissenschaftler:innen der niederländischen Uni Wageningen zusammengetan. Ziel war es, ganz konkrete Empfehlungen für die Kommunikation zum Thema Genetische Modifikation zu entwickeln. Ein Teil des Ergebnisses: Das Vertrauen in die Wissenschaft ist hoch, und Wissenschaftler:innen wird zugetraut, Sicherheit, Transparenz und Nachhaltigkeit ernst zu nehmen. Deshalb sollten sich Wissenschaftler:innen, die an Themen arbeiten, die streitbar sind, nicht verstecken. Sie sind diejenigen, die Expertise einbringen können. Dafür sind sie da, könnte man sagen. 

Führt Expertise automatisch zum Interessenkonflikt?

Doch das sieht nicht jede:r so. In manchen Debatten passiert es, dass die Expertise der Forschenden als Interessenkonflikt gedeutet wird: Wenn beispielsweise Genetikerinnen für eine Lockerung der Regulation des Einsatzes der Gentechnik sind, heißt es schnell: wie könnten auch ausgerechnet Genetikerinnen dagegen sein?  Mit solchen möglichen Interessenkonflikten beschäftigt sich ein Beitrag des Philosophen Alexander Christian in Frontiers am Beispiel der CRISPR/Cas9 Debatte. 

Diskursive Fallstricke zu durchtrennen, ist nicht leicht. Manchmal ist es schlicht unmöglich. Doch Transparenz und Offenheit, können kaum schaden, um eine möglichst breite und offene Diskussion über Forschung und ihre Ergebnisse zu ermöglichen. Bei Oikoplus unterstützen wir Forschende, ihre Arbeit zu erklären und zugänglich zu machen. Wir raten ihnen stets, sich dabei nicht zu verstecken.