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RL #011: Durch Wissenschaftskommunikation Commons kreieren

Vom Gemeingut in Theorie und Praxis, in Straßenverkehr und Impfstoffentwicklung – und im Film.

Diese Oikoplus Reading List kommt nicht wie gewohnt zur Monatsmitte, sondern mit etwas Verspätung. Denn das Team von Oikoplus war schwer beschäftigt. Im Rahmen von Sustainication – Verein für Wissenschaftskommunikation und Nachhaltig, haben wir ein Partnermeeting im Projekt ArcheoDanube im neuen Wiener Sonnwendviertel organisiert.

Da blieb wenig Zeit für Schreiben einer Reading List. Aber wo wir ein Paar Tage lang im angenehm verkehrsarmen Neubauviertel zu Gast waren, fiel uns einmal mehr auf, wie sonderbar unsere Städte den Raum, den sie bieten, verteilen.

Finden Sie es nicht auch immer wieder aufs Neue kurios, wieviel Platz dem Auto in unseren Städten eingeräumt wird? Natürlich könnte es sein, dass die Verkehrsplanerinnen und -Planer vergangenen Jahrzehnte gar nicht geahnt haben, dass es einmal so viele Autos geben würde, wie heute. Unmengen von Platz für den Autoverkehr vorgesehen, haben sie trotzdem. Das Auto prägt dadurch die Vorstellung, die Menschen vom städtischen Raum haben. Und das spiegelt sich kulturell zum Beispiel im Film. Mehr noch, meint der Historiker Janosch Steuwer: “Vor allem der Film bildet aus unterschiedlichen Gründen einen natürlichen Verbündeten bei der Verbreitung wirklichkeitsferner Bilder des Autoverkehrs”. In einem lesenswerten Artikel im schweizer Online-Magazin ,Geschichte der Gegenwart’ widmet er sich filmischen Bildern des Autoverkehrs.

Die Frage, wieviel öffentlichen Raum die Gesellschaft dem motorisierten Individualverkehr einräumen sollte, berührt immer wieder auch das Konzept der Commons, also der Gemeingüter. Wieviel Raum soll öffentliches Gemeingut sein, wieviel Raum soll privatisierbar sein, und was ist ein fairer Preis dafür? Dem angespannten Verhältnis von Commons und Kapitalismus widmet sich Thijs Lijster in einem Beitrag, der auf Eurozines zu lesen ist. Darin gibt er einen Überblick der Debatte zur Frage: Was sind commons, und was macht sie dazu?

An einem ganz konkreten Beispiel macht das Magazin Jacobin das Spannungsfeld zwischen Privatisierung und Vergesellschaftung deutlich, und zwar anhand der enormen Gewinne aus dem Covid-19-Impfstoffen. Da dieser Artikel leider nur in deutscher Sprache erschienen ist, für die englischen Leser*innen der Reading List hier ein Link zu einem englischen Artikel zum Thema aus der US-Ausgabe von Jacobin.

Die Frage danach, was wem “gehört” ist natürlich nicht bloß ein juristische von Besitz und Eigentum, sondern auch eine soziale Frage von Zugang, Beteiligung und Verfügbarkeit. Besonders deutlich wird das am Eingang erwähnten Beispiel des Verkehrsraums. Der Mosaik Blog hat zu den sozialen Aspekten des Straßenbaus einen Artikel publiziert, dessen Dichte an Zahlen und Fakten beeindruckend ist. Hier geht es ja schließlich um Wissenschaftskommunikation.

Und um den Bogen zur Wissenschaftskommunikation noch ein bisschen weiter zu spannen: Wissenschaft hat – wenn auch nicht immer – an sich selbst den Anspruch, gesellschaftliche commons zu produzieren. Das Commons-Institut, ein Netzwerk von Menschen aus Forschung, Lehre und Praxis hat sich dem Prinzip des Commonings bzw. des Nachdenkens darüber verschrieben. Auf seiner Website verlinkt das Institut immer wieder lesenswerte Artikel rund ums Thema commons.

Bis zur nächsten Reading List. Dann hoffentlich wieder pünktlich.

Thomas Stollenwerk