In unseren Projekten bei Oikoplus kommunizieren wir Wissenschaft und Forschung. Dabei geht‘s um neue Technologien und häufig auch um das Versprechen, durch ihren Einsatz große Herausforderungen der Gegenwart, in den Griff zu bekommen. Technologie löst Probleme. Dafür wird sie schließlich entwickelt. Klar. Aber sollten wir uns als Gesellschaft wirklich auf Technologie verlassen, wenn es darum geht, die großen Probleme unserer Zeit zu lösen?
Erst gestern wurde der neue Klimabericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) veröffentlicht, der einmal mehr vor drastischen Klimawandel-Folgen gewarnt, die sich noch dazu verschärfen. Können Erfindungen der Schlüssel im Kampf gegen den Klimawandel sein? Treibhausgas-Emissionen sind schließlich selbst eine Folge industrialisierter Prozesse, die einmal als technologische Innovationen galten.
Vielleicht lenkt der optimistische Blick in die technologische Zukunft bloß davon ab, dass die Problemlösung längst in der Gegenwart stattfinden könnte? Und vielleicht besteht die wahre Problemlösung in die vielen Bereichen eher aus weniger, statt aus mehr Technologie? Steckt hinter Techno-optimism am Ende oft vor allem Greenwashing? Diesen Fragen geht der Techtonic Podcast der Financial Times in einer hörenswerten Folge aus dem November 2022 nach.
Technikoptimismus, Überoptimismus und Macht
Ebenfalls im November 2022 hat sich Elizabeth Zhu dem Thema tech-optimism gewdimet, in einem opinion piece auf stanforddaily.com, einem Nachrichtenportal, das von Studierenden der Standord University betrieben wird. Die Universität im kalifornischen Palo Alto gilt als der Hochschul-Campus des Silicon Valley. Die Region ist nicht gerade dafür bekannt, Zukunftstechnologie ablehnend gegenüberzustehen. Zhu stellt fest, dass Unternehmen wie der Facebook-Mutterkonzern Meta selbst nach Skandalen wie Datenlecks oder der Verbreitung russischer Desinformationen als attraktive Arbeitgeber mit einer großen Vision menschlicher Vernetzung wahrgenommen werden. Dieser optimistischer Blick auf Technologie führt laut Zhu zu einem spezifischen Problem: Je mehr Menschen davon ausgehen, dass in Zukunft carbon capturing oder cloud brightening unser Klimaproblem lösen werden, desto stärker werden die systemischen Ursachen des Klimawandels wie der industrielle Abbau fossiler Brennstoffe übersehen.
Werden technologische Lösungsansätze systematisch als Ablenkung von Problemursachen benutzt? Einen guten Einstieg in die Beschäftigung mit dieser Frage bietet der Text Over-Optimism in Technology and the Promotion of the Powerful Man von Sofia Ribeiro und Viriato Soromenho-Marques, die an der Universität Lissabon forschen. Sie verwenden analog zum Greenwashing den Begriff des Technowashings. Dabei würde von politischen Akteuren bewusst alle gesellschaftliche Hoffnung in Richtung Technik und Naturwissenschaft gelenkt, um den Anschein zu vermitteln, dass bereits an Lösungen gearbeitet wird. Genau dieses Technowashing ermögliche es, die Dringlichkeit robuster, integrierter, ethischer, gerechter und multidisziplinärer Maßnahmen und Politiken aufzuschieben.
Techno-solutionism vs. techno-criticism
Einen weiteren hübschen Begriff, nämlich techno-solutionism, verwendet Harry Surden in einem Symposien-Beitrag im Yale Journal of Regulation. Surden stellt fest, der techno-soultionism tendiere dazu, Technologien wie die künstliche Intelligenz zu verherrlichen und sie unrealistisch als einfache Lösungen für die viel komplexeren, systemischen Probleme in der Gesellschaft darzustellen. Gleichzeitig neige aber die Technikkritik zu einer Überbetonung der negativen Aspekte von Technologien, indem sie sich entweder übermäßig auf potenzielle zukünftige Probleme konzentriert, die auftreten können – oder auch nicht, oder indem sie unverhältnismäßig stark die Grenzfälle hervorhebt, in denen eine Technologie problematisch ist, während sie andere Bereiche übersieht, in denen sie schrittweise signifikante gesellschaftliche Verbesserungen bringt.
Bei Oikoplus bemühen wir uns in all unserer Projekt-Kommunikation, nicht so zu tun, als würden die Projekte abschließende Antworten auf drängende Fragen liefern. Denn jedes unserer Projekte ist stets nur einer von vielen Beiträgen zur wissenschaftlichen Bearbeitung großer Herausforderungen. Wir sind überzeugt, dass Technologie immer einen entscheidenden Beitrag leisten kann. Aber am Ende sind es Menschen, die Technologien einsetzen. Deshalb liegen die großen Antworten im menschlichen Verhalten, und nicht in der Technologie selbst. Das gilt nicht erst in der Zukunft, sondern auch in der Gegenwart.