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RL #029: Kartographie für den Austausch

Seit jeher ist die Fähigkeit, seine unmittelbare Umgebung zu verstehen, von größter Bedeutung. Aus diesem Grund hat die Menschheit im Laufe der Jahrtausende das Handwerk der Darstellung von räumlichen Informationen wie Routen oder Landformen entwickelt und perfektioniert. Vor dem Hintergrund moderner Technologien allerdings, nimmt die Menge und Vielfalt der Informationen, die kartiert werden können, immer mehr zu. Die Möglichkeit, unsere Umgebung zu überblicken, erweist sich heute als zunehmend komplex. In dieser Reading List untersuchen wir, wie die Kartografie den Wissensaustausch erleichtert und als Vehikel für kritisches Denken dienen kann.

Kartographie erklärt

Kartografie ist die Praxis der Kartenerstellung. Ursprünglich nämlich stellten Kartograph*innen räumliche oder geographische Daten grafisch dar. Doch heute müssen sie verschiedene Zahlen von verschiedenen Sensoren und aus verschiedenen Quellen übersetzen. Wie Elik Eizenberg im Online-Magazin Forbes Technology schreibt, schwimmen wir in Daten (und sollten uns darum kümmern). Da wir nicht alle Daten vollständig nutzen können, verliert die kontinuierliche Sammlung neuer Daten durch die Datenwissenschaftler*innen langsam an Bedeutung. Kartieren, so argumentiert Georg Gartner in einem Artikel für Ersi, den weltweit führenden Anbieter von geografischen Informationssystemen, schlägt die Brücke zwischen menschlichen Nutzer*innen und den Daten. Es nutzt die Visualisierung, um die Wissenschaft für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen und ihr Potenzial voll auszuschöpfen.

Punktwolke von Hangrutschungen im Sensuikyo-Tal mittels LIDAR, einem Werkzeug der modernen 3D-Kartografie. Quelle: https://www.unearthlabs.com/blogs/modern-cartography

Von der Wissensrezeption zum Wissensaustausch

Bürger*innen in die Lage zu versetzen, fundierte Entscheidungen zu treffen, kann auch einen anderen Effekt mit sich bringen, nämlich den gegenseitigen Informationsaustausch. Ursprünglich sammeln Kartograph*innen Daten aus verschiedenen Messinstrumenten wie Luftaufnahmen, Fernerkundung, Feldbeobachtungen oder Koordinatenlisten. Diese Daten werden jedoch, wie das Horizon2020 geförderte Projekt WeObserve zeigt, aufgrund der gestiegenen Kosten und der rechtzeitigen Datenvalidierung nur noch selten aktualisiert. Daher wenden sich Kartograph*innen nun zunehmend an Bürger*innen.

Interactive exploration of good and bad governments worldwide by GOV DNA. Source: https://govdna.sudox.nl/#layout/geo/country/WRL/x/32/y/5/z/8/a/0
Interactive exploration of good and bad governments worldwide by GOV DNA. Source: https://govdna.sudox.nl/#layout/geo/country/WRL/x/32/y/5/z/8/a/0
Interactive exploration of good and bad governments worldwide by GOV DNA. Source: https://govdna.sudox.nl/#layout/geo/country/WRL/x/32/y/5/z/8/a/0

Laut Caroline Anstey von der New York Times ist dieser neue Trend zum Crowdsourcing von Informationen für die Kartografie von großem Nutzen. Die Bürger*innen liefern nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Daten, die von Kartographen oft übersehen werden. Das Fachwissen der Bürger kommt daher, dass sie über einen längeren Zeitraum an einem Ort leben. Veränderungen der Demografie, der Umwelt, der zwischenmenschlichen Beziehungen oder sogar der Wohngewohnheiten sind für Kartierungsprojekte nützlich, da sie sich in politischen oder planerischen Entscheidungen niederschlagen können. Um das diesem Austausch zugrunde liegende Vertrauen aufzubauen, sollten Kartograph*innen den Bürger*innen klare und verständliche Informationen zur Verfügung stellen.

Kartographie als Vehikel für kritisches Denken

Laut Sukhmani Mantel inn The Conversation ermöglicht die visuelle Darstellung von Beziehungen, dass Informationen mehrere Sinne ansprechen und für das tägliche Leben relevant werden. Und tatsächlich sind die Bürger*innen in der Lage, neuartige Konzepte mit einem umfassenden sozialen und kulturübergreifenden Verständnis zu verarbeiten. Dies erklärt Aleks Buczkowski in seinem Beitrag für GeoAwesome, die weltweit größte Geodaten-Community.

Im Wesentlichen behaupten Stevenson et al. vom Stockholmer Umweltinstitut in einem SEI-Brief über extreme Citizen-Science-Ansätze in der digitalen Kartierung, dass Menschen aus der Kartierungspraxis, unabhängig von ihrem Bildungsniveau, die Fähigkeit erlangen, die sich entwickelnde Welt zu verstehen. Dies fördert ihre Chancen auf eine bessere Teilhabe an der Welt auch auf einer allgemeineren Ebene: zuvor ausgeschlossene Gruppen werden sich bewusst, wie sie mitgestalten und sich einbringen können. Sie tragen nun zur wissenschaftlichen Forschung bei, der so genannten Citizen Science.

Forensische Architektur hat Fotos und Videos eingefügt, um die Geschichte einer einzelnen Schlacht im Gaza-Krieg 2014 zu rekonstruieren. Quelle: https://www.gold.ac.uk/news/forensic-architecture-ica/

Zusammenfassung

Das Gewinnen präziser kartografischer Daten durch Crowdsourcing steckt noch in den Kinderschuhen, wird aber zunehmend praktiziert. Vor allem, weil die Bürger*innen heute immer mehr Möglichkeiten haben, Werkzeuge zu nutzen, die ihnen Zugang zu globalen Daten verschaffen. Auf unternehmerischer Ebene findet dies bereits statt. Das Projekt Domino-E, das sich auf die Entwicklung einer Schnittstelle zur Optimierung der Verfügbarkeit von Erdbeobachtungsdaten konzentriert, baut auf Interoperabilität und Wissensaustausch mit KMU’s. Die gemeinsame Nutzung von Wissen führt zur Schaffung von Wissen, weshalb es für Kartographen wichtig ist, sich für den Informationsaustausch einzusetzen, da dies sowohl ihnen als auch den Bürgern gleichermaßen zugute kommt.

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RL #024: Aus unserer Projektarbeit: Gamification im Archäologie-Tourismus

In dieser Oikoplus Reading List geht es ausnahmsweise nicht um eine bestimmte Fragestellung aus dem Bereich der Science Communication and Research Dissemination. In dieser Oikoplus Reading List geht  um eines unserer eigenen Projekte.

In den vergangenen zwei Jahren haben wir durch die Beteiligung unseres Vereins Sustainication e.V. am Interreg-Projekt ArcheoDanube viel über Archäologie gelernt. Und über die spannende Herausforderung, Archäologie für die Entwicklung nachhaltiger Tourismuskonzepte zu nutzen. 

Nach zweieinhalb intensiven Projektjahren geht ArcheoDanube Ende 2022 zu Ende. Mitte November fand die Closing Conference in der slowenischen Stadt Ptuj statt. Die unterschiedlichen am Projekt beteiligten Institutionen aus elf Ländern des Donauraums präsentierten die Ergebnisse des Projekts. Dazu zählen nicht nur  Guidelines zur Entwicklung archäologischer Parks als Vehikel für nachhaltigen Archäologie-Tourismus, sondern auch konkrete lokale Pilot Actions, in denen das Konzept der Archäologische Parks erprobt wird.

Und was hat ArcheoDanube nun mit Wissenschaftskommunination und Oikoplus zu tun? Jede Menge. Denn die Einbettung von Archäologie in Tourismuskonzepte erfordert die Kommmunikation von Forschungsergebnissen – angepasst an einen spezifischen Ort und spezifische Zielgruppen. Das Team von Sustainication/Oikoplus konnte sich nicht nur beim Verfassen eines e-Handbook über das Management archäologischer Stätten ins Projekt einbringen, sondern auch in drei Think Tank Workshops, in denen Local Action Plans in Szombathely (HU), Pilsen (CZ) und X (HR) evaluiert wurden. 

Digitale Tools, die helfen ArcheoTourism zum innovativen Erlebnis zu machen

Und: Wir haben eine Mobile App entwickelt. Die App ArcheoTales für Android und iOS, die gemeinsam mit dem Grazer Unternehmen Softwaregärtner entwickelt wurde, erlaubt es, Besucher von archäologischen Stätten und Museen auf digitale Scavenger Hunts (Schnitzeljagden) zu schicken. Damit können Anbieter von Kulturtourismus und Betreiber von Kulturerbestätten unterschiedlichen Zielgruppen didaktisch und spielerisch aufbereitete Inhalte anbieten. Und die Besucher können die Ausstellung in Form eines Rätselspiels in ihrem individuellen, eigenen Tempo erleben. Dabei kommunizieren die Besucher via Mobile App mit fiktiven Charactern in einem Massenger-Interface. 

Ein weiteres digitales Tool, das im Projekt ArcheoDanube entwickelt wurde, ist Yesterday-Today-Tomorrow. Es richtet sich speziell an Städte und Gemeinden, die über Kulturerbe- und Archäologiestätten verfügen, und eine Hilfestellung bei der Erstellung eines touristischen Konzepts in Form eines Archeoparks suchen. 

Wir haben im Projekt ArcheoTales ungemein viel über Archäologie und die Kulturgeschichte des Donauraums lernen dürfen, wunderbare Orte mit kulturtouristischen Schätzen besucht und fantastische Kolleginnen und Kollegen aus 14 Ländern kennengelernt. Dabei haben wir neue Freundschaften geschlossen und in einem für uns ganz neuen Bereich erfahren, was gute Wissenschaftskommunikation leisten kann – und wieviel Spaß es macht, sie zu betreiben.