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RL #032: Storytelling in der Krisenkommunikation

Storytelling, das Erzählen von Geschichten, gilt als wirksame Kommunikationsmethode. Denn für Informationen in Form von Geschichten ist unser Gehirn besonders gut empfänglich. Auch in der Wissenschaftskommunikation werden komplexe Konzepte durch das Erzählen von Geschichten in zugängliche und verständliche Ideen übersetzt. Was geschieht jedoch in Situationen, in denen wir uns in großen Schwierigkeiten oder Notsituationen befinden, die uns Schwierigkeiten, Ängste und Sorgen bereiten? In solchen Krisensituationen sind wir eher an Fakten interessiert, die für Sicherheit sorgen, als an Anekdoten, die Empathie wecken. Diese Oikoplus Reading List fast zusammen, wie das Erzählen von Geschichten in Krisensituationen immer noch eine wirksame Strategie sein kann, um der breiten Öffentlichkeit relevante Informationen zu vermitteln. 

Die Grundlagen

Laut einem Artikel von Powell und Mantel für das Online-Magazin “The Conversation”, ist das Geschichtenerzählen, d.h. die Vermittlung von Informationen durch Erzählungen, die starke Emotionen hervorrufen, ein wirksames Mittel, um Informationen auf eine nachvollziehbare und leicht verständliche Weise zu vermitteln. Heutzutage können Geschichten auf vielerlei Art und Weise erzählt werden, auch auf digitalem Wege durch Fotos, Videos oder Audioclips. Storytelling ist effektiv, weil es laut Forbes sachliche Informationen auf eine Weise erklärt, die beim Publikum ankommt. Wenn eine Erzählung Anklang findet, wirkt sie sich auf die Art und Weise aus, wie Menschen sich an die vorliegenden Informationen erinnern, sie behalten und nutzen.  

Krisensituationen

In Krisensituationen allerdings, ist die Lage anders. Das liegt daran, dass es sich dabei um stressauslösende Situationen handelt, in denen unser Gehirn neurotischer, hektischer und irrationaler wird, was sich auf unsere Entscheidungsfindung und Aufmerksamkeit auswirkt. Im Es liegt nah, anzunehmen, dass wir uns in Stresssituationen eher schnell zugänglichen und kurzen informativen Nachrichtenschnipseln hingezogen fühlen als zu ausführlichen Berichten. Aber ist das wirklich so?  

Den Neurowissenschaftlern Heim und Keil zufolge, sind die Menschen heute aufgrund der Fülle digitaler Geräte gezwungen, Informationen mit höherer Geschwindigkeit zu verarbeiten. Trotzdem hat die Forschung gezeigt, dass unsere Gehirne so gebaut sind, dass sie sich an die sich verändernde Welt anpassen können. Tatsächlich lernt unser Gehirn, sich auf Ereignisse, Erfahrungen oder Informationen zu konzentrieren, die wirklich wichtig oder bedeutsam für uns sind. Unser Gehirn lernt, einige wenige Dinge, die wir sehen oder hören, herauszugreifen und sie genauer zu untersuchen, um ihnen einen Sinn zu geben. Diese „wenigen Dinge” werden höchstwahrscheinlich in eine Geschichte oder eine Erzählung eingebettet sein. Hierfür gibt es einige Gründe. Erstens ist unser Gehirn, wie bereits erwähnt, darauf programmiert, dass wir uns zu Geschichten hingezogen fühlen, die wir nachempfinden können. Zweitens, so Rachel Bartlett, Autorin des Online-Blogs Shorthand, sind Krisensituationen oft mit einer überwältigenden Menge komplizierter Details verbunden, und das Erzählen von Geschichten, insbesondere von visuellen Geschichten, macht diese Datenmengen leichter verdaulich und verarbeitbar.  

Von der Geschichte zum Handeln

Wie Seeger und Sellnow in ihrem Buch “Narratives of Crisis” feststellen, erleichtert das Erzählen von Geschichten nicht nur das Verständnis komplexer Konzepte, sondern ermöglicht es uns auch, aktuelle Krisensituationen in einen größeren Kontext oder eine größere Bedeutung und damit in eine breitere Perspektive zu stellen. Dies führt zu einem verbesserten kritischen Denken und einer besseren Situationseinschätzung, was zu tiefer verwurzelten Reaktionen führt, die zu langfristigen sozialen Veränderungen führen können. Emily Falk, Professorin für Kommunikation, Psychologie und Marketing, unterstützt diese Behauptung in der Los Angeles Times. Sie erklärt, dass das Erzählen von Geschichten allein zwar keinen sozialen Wandel bewirken kann, aber eine Methode der effektiven Kommunikation ist, die eine aktive Reaktion auslöst. Erzählungen geben uns eine neue Sichtweise auf die Welt und motivieren uns zu lernen, zu gestalten, zu reagieren und sich zu kümmern. Gute Geschichten vermitteln Wissen in einer Weise, die zum Handeln anregt. So können sie beispielsweise die Politik beeinflussen, Gemeinschaftsaktionen anregen, Randgruppen eine Stimme geben oder eine gut organisierte Bewegung motivieren. 

Aufgrund der Fülle von Formaten und Stilen ist das Geschichtenerzählen eine wirksame Kommunikationsmethode in vielen verschiedenen Situationen. Das bedeutet, dass selbst in Krisensituationen, in denen sich unser Gehirn aufgrund hormoneller Reaktionen in einem viel aufgeregteren Zustand befindet, Geschichten immer noch wichtige Informationen, Fakten und Zahlen vermitteln können. Anstatt uns mit Nachrichten zu bombardieren, spricht das Geschichtenerzählen unsere Sinne an und führt zu einer aktiveren und kritischeren Reaktion, die das Potenzial hat, einen sozialen Wandel herbeizuführen.