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RL #033: Die Sprache(n) der Wissenschaft

In dieser Oikoplus Reading List präsentieren wir Online Good Reads zur Frage nach der Sprache in der Wissenschaft. Sprache, ganz explizit und eher abstrakt verstanden.

Die Gunst der Muttersprache

Bei Oikoplus ist die Arbeitssprache in all unseren Projekten Englisch. Wenn wir in unserer Arbeit Kontakte treffen, mit denen wir in unseren Muttersprachen (Deutsch, Italienisch, Polnisch, Rumänisch) sprechen können, freuen wir uns immer wieder. Denn dauerhaft in Fremdsprachen zu arbeiten, ist ehrlicherweise auch manchmal anstrengend. Für Menschen, die in Wissenschaft und Forschung arbeiten, ist es deshalb ein großer Startvorteil, wenn ihre Muttersprache Englisch ist. So weit, so banal. Weniger banal ist es allerdings, zu quantifizieren, wie große der Preis ist, den all diejenigen zahlen, deren Muttersprache nicht ausgerechnet Englisch ist. Eine Studie von Tatsuya Amano et.al. zielt genau darauf:

„By surveying 908 researchers in environmental sciences, this study estimates and compares the amount of effort required to conduct scientific activities in English between researchers from different countries and, thus, different linguistic and economic backgrounds. Our survey demonstrates that non-native English speakers, especially early in their careers, spend more effort than native English speakers in conducting scientific activities, from reading and writing papers and preparing presentations in English, to disseminating research in multiple languages. Language barriers can also cause them not to attend, or give oral presentations at, international conferences conducted in English.”

Eine mathematische Erzählung

Englisch ist eine Standardsprache der Wissenschaft. Die Mathematik ist ebenfalls eine. Als wichtiges Tool helfen mathematische Prinzipen und Konzepte, beim Verständnis der Welt. Ein sehr anschauliches Beispiel dafür zeigt Patrick Honner im sehr empfehlenswerten Quanta Magazine. Darin beschreibt er – oder erzählt er? – wie sich Netzwerke mathematisch beschreiben lassen. Und das auch in Form eines Rätsels. Viel Spaß beim Rätseln.

Photo by <a href="https://unsplash.com/@pyssling240?utm_source=unsplash&utm_medium=referral&utm_content=creditCopyText">Thomas T</a> on <a href="https://unsplash.com/photos/OPpCbAAKWv8?utm_source=unsplash&utm_medium=referral&utm_content=creditCopyText">Unsplash</a>

Wenn Erzählungen verloren gehen

Die Mathematik beschreibt die Welt streng formal. Das ist ihr Wesen, und ihre Aufgabe. Weniger formal lässt sich die Welt in Narrativen und Legenden beschreiben. So wie die Mathematik auf eine Jahrtausende alte Geschichte zurückblickt, die sich interessanterweise wiederum besser als Narrativ erzählen lässt, gibt es unzählige Legenden und Narrative, die uralt sind, und deren Zukunft bedroht ist. Und zwar, weil die Sprachen, in denen sie erzählt werden, aussterben. Alexandra Aikhenvald geht der Frage nach, wie der Verlust an linguistischer Diversität durch das Aussterben indigenen Sprachen weltweit, bedroht wird, und weshalb der Verlust von Geschichten, Legenden und Mythen, der damit einhergeht, ein Problem darstellt. 

Akkurat beschreiben oder erzählen?

Häufig erscheinen akkurate, wissenschaftliche Beschreibungen der Welt als Gegenpol zu narrativen Beschreibungen. Die Tendenz zum Storytelling in der Kommunikation – auch in der Wissenschaftskommunikation – wird daher vielfach kritisiert. Die Welt in Form von Erzählungen zu denken, wird als Trend der letzten Jahre beschrieben. Der Begriff Narrativ selbst, gehört in jedes Buzzword-Bingo professioneller Kommunikationsarbeit. Ob zu recht, oder zu unrecht – das soll hier nicht geklärt werden. Einen lesenswerten Überblick über die Debatte rund um das Für und Wider der Erzählform im Beschreiben der Welt gibt der Literaturwissenschaftler Florian Scherbül in einem Beitrag zum Online-Portal geschichtedergegenwart.at

Wir hoffen, wir haben in dieser Reading List die richtige Sprache gefunden, und dass wir bei unseren Streifzügen durch das Internet in den letzten Wochen wieder ein paar Artikel aufgetan haben, die nicht nur unser Interesse wecken. 

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RL #032: Storytelling in der Krisenkommunikation

Storytelling, das Erzählen von Geschichten, gilt als wirksame Kommunikationsmethode. Denn für Informationen in Form von Geschichten ist unser Gehirn besonders gut empfänglich. Auch in der Wissenschaftskommunikation werden komplexe Konzepte durch das Erzählen von Geschichten in zugängliche und verständliche Ideen übersetzt. Was geschieht jedoch in Situationen, in denen wir uns in großen Schwierigkeiten oder Notsituationen befinden, die uns Schwierigkeiten, Ängste und Sorgen bereiten? In solchen Krisensituationen sind wir eher an Fakten interessiert, die für Sicherheit sorgen, als an Anekdoten, die Empathie wecken. Diese Oikoplus Reading List fast zusammen, wie das Erzählen von Geschichten in Krisensituationen immer noch eine wirksame Strategie sein kann, um der breiten Öffentlichkeit relevante Informationen zu vermitteln. 

Die Grundlagen

Laut einem Artikel von Powell und Mantel für das Online-Magazin “The Conversation”, ist das Geschichtenerzählen, d.h. die Vermittlung von Informationen durch Erzählungen, die starke Emotionen hervorrufen, ein wirksames Mittel, um Informationen auf eine nachvollziehbare und leicht verständliche Weise zu vermitteln. Heutzutage können Geschichten auf vielerlei Art und Weise erzählt werden, auch auf digitalem Wege durch Fotos, Videos oder Audioclips. Storytelling ist effektiv, weil es laut Forbes sachliche Informationen auf eine Weise erklärt, die beim Publikum ankommt. Wenn eine Erzählung Anklang findet, wirkt sie sich auf die Art und Weise aus, wie Menschen sich an die vorliegenden Informationen erinnern, sie behalten und nutzen.  

Krisensituationen

In Krisensituationen allerdings, ist die Lage anders. Das liegt daran, dass es sich dabei um stressauslösende Situationen handelt, in denen unser Gehirn neurotischer, hektischer und irrationaler wird, was sich auf unsere Entscheidungsfindung und Aufmerksamkeit auswirkt. Im Es liegt nah, anzunehmen, dass wir uns in Stresssituationen eher schnell zugänglichen und kurzen informativen Nachrichtenschnipseln hingezogen fühlen als zu ausführlichen Berichten. Aber ist das wirklich so?  

Den Neurowissenschaftlern Heim und Keil zufolge, sind die Menschen heute aufgrund der Fülle digitaler Geräte gezwungen, Informationen mit höherer Geschwindigkeit zu verarbeiten. Trotzdem hat die Forschung gezeigt, dass unsere Gehirne so gebaut sind, dass sie sich an die sich verändernde Welt anpassen können. Tatsächlich lernt unser Gehirn, sich auf Ereignisse, Erfahrungen oder Informationen zu konzentrieren, die wirklich wichtig oder bedeutsam für uns sind. Unser Gehirn lernt, einige wenige Dinge, die wir sehen oder hören, herauszugreifen und sie genauer zu untersuchen, um ihnen einen Sinn zu geben. Diese „wenigen Dinge” werden höchstwahrscheinlich in eine Geschichte oder eine Erzählung eingebettet sein. Hierfür gibt es einige Gründe. Erstens ist unser Gehirn, wie bereits erwähnt, darauf programmiert, dass wir uns zu Geschichten hingezogen fühlen, die wir nachempfinden können. Zweitens, so Rachel Bartlett, Autorin des Online-Blogs Shorthand, sind Krisensituationen oft mit einer überwältigenden Menge komplizierter Details verbunden, und das Erzählen von Geschichten, insbesondere von visuellen Geschichten, macht diese Datenmengen leichter verdaulich und verarbeitbar.  

Von der Geschichte zum Handeln

Wie Seeger und Sellnow in ihrem Buch “Narratives of Crisis” feststellen, erleichtert das Erzählen von Geschichten nicht nur das Verständnis komplexer Konzepte, sondern ermöglicht es uns auch, aktuelle Krisensituationen in einen größeren Kontext oder eine größere Bedeutung und damit in eine breitere Perspektive zu stellen. Dies führt zu einem verbesserten kritischen Denken und einer besseren Situationseinschätzung, was zu tiefer verwurzelten Reaktionen führt, die zu langfristigen sozialen Veränderungen führen können. Emily Falk, Professorin für Kommunikation, Psychologie und Marketing, unterstützt diese Behauptung in der Los Angeles Times. Sie erklärt, dass das Erzählen von Geschichten allein zwar keinen sozialen Wandel bewirken kann, aber eine Methode der effektiven Kommunikation ist, die eine aktive Reaktion auslöst. Erzählungen geben uns eine neue Sichtweise auf die Welt und motivieren uns zu lernen, zu gestalten, zu reagieren und sich zu kümmern. Gute Geschichten vermitteln Wissen in einer Weise, die zum Handeln anregt. So können sie beispielsweise die Politik beeinflussen, Gemeinschaftsaktionen anregen, Randgruppen eine Stimme geben oder eine gut organisierte Bewegung motivieren. 

Aufgrund der Fülle von Formaten und Stilen ist das Geschichtenerzählen eine wirksame Kommunikationsmethode in vielen verschiedenen Situationen. Das bedeutet, dass selbst in Krisensituationen, in denen sich unser Gehirn aufgrund hormoneller Reaktionen in einem viel aufgeregteren Zustand befindet, Geschichten immer noch wichtige Informationen, Fakten und Zahlen vermitteln können. Anstatt uns mit Nachrichten zu bombardieren, spricht das Geschichtenerzählen unsere Sinne an und führt zu einer aktiveren und kritischeren Reaktion, die das Potenzial hat, einen sozialen Wandel herbeizuführen.