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RL #027: Broschüren und Flyern ‒ sinnvolle Ergänzung im Kommunikations-Toolkit?

Waaahh! Nächste Woche schon soll es los gehen. Toulouse ist das Ziel. Frankreich. Und wir betreuen den Ausstellungsstand. Jetzt, gefühlt fünf Minuten vor Abreise, sollen nun doch noch Projektbroschüren gedruckt werden. Also gehen wir in dieser Reading List der Frage nach, ob und wie das Erstellen von Flyer und Broschüren noch sinnvoll ist.

Bitte mitnehmen: Flyer für die Ewigkeit

Man könnte meinen, dass der Erfolg des Internet in den vergangenen Dekaden verschiedenste Drucksorten verdrängte. Auf sozialen Medien können Kunden doch ganz einfach angesprochen, informiert und akquiriert werden. Das stimmt jedenfalls für jene hippen Branchen die unsere Social Media Feeds fluten: Morgenroutine, Home Improvement, Crypto und Travel. Broschüren und Flyer, die außerdem noch einen höheren ökologischen Fußabdruck haben ‒ brauchen wir das noch?

Flyer von Autosalon auf Tisch
Photo by Ejov Igor: https://www.pexels.com/photo/a-autosalon-brochure-on-brown-surface-14425192/

Themen die weniger Lifestyle-orientiert oder die in ihren Inhalten sensitiv sind, haben es in affirmativen Social-Media Umfeldern, die von visuellen Inhalten geprägt sind, deutlich schwieriger. Die Bewerbung zur Teilnahme an Krebsstudien wäre ein Beispiel dafür. Oder Projekte die Energiearmut thematisieren (z.B. EnergyMeasures). Auch hochspezialisiertes Fachpublikum zeigt sich für analoge Formate wie Broschüren und Flyer weiter empfänglich. Dabei haben beide Drucksorten konkrete Vorteile. Im Forbes Magazin in “Paper Beats Digital In Many Ways, According to Neuroscience”, argumentiert Roger Dooley, dass Print-Formate mit wenig Text den Wiedererkennungswert von Marken wesentlich nachhaltiger als digitale Pendants steigern.

Wie bei jedem Kommunikationsprodukt, hängt der Erfolg auch bei Broschüre und Flyer vom zielgruppenoptimierten Inhalt, Format und Handlungsaufforderung ab. Ein besonderes Augenmerk sollte dabei auf die Interoperabilität gelegt sein. Auf ihrem Blog, führt die Autorin und Schreibtrainerin Annika Lamer aus, dass Flyer und Broschüren im Verbund mit Websites agieren: in den meisten Fällen findet nämlich die auf den Flyer folgende Interaktion online statt. Flyer und Broschüren sind also eine Brücke zur Website oder, noch besser, einem maßgeschneidertem Angebot auf ihrer Website.

Broschüren Struktur geben: vom Handzettel über den Falzflyer zur Quadratur

Beim Entwickeln des Flyers beginnen wir nicht mit dem Text. Wir beginnen mit der Struktur. Eigentlich beginnen wir mit Layout und Struktur und Text. Alles gemeinsam. Dabei legen sie zunächst den groben Umfang fest, wählen dann das Format und konzipieren dann den Text. Jede Seite im Flyer bekommt ein Thema. Vorschlag für drei Falzungen mit sechs Seiten: eine Titelseite, eine Kontaktseite, drei Seiten für drei Inhalte, eine Seite für Extra Content. Kein Thema bekommt zwei Seiten. Consistency is key. Die hier angeführte, sehr anschauliche Grafik dazu, findet sich auf dem Blogbeitrag von Annika Lamer.

Broschüre Aufteilung nach Annika Lamer.
Annika Lamer, 2016. Url: https://www.annika-lamer.de/so-entwickeln-sie-einen-starken-flyer/lamer_flyer-aufteilung/

Die Texte selbst, sollten kurz sein. Kurz bedeutet dabei nicht, dass alles zusammengekürzt werden soll. Es bedeutet, dass Sie sich einschränken und nur die beliebtesten oder außergewöhnlichsten ihrer Leistungen und Ergebnisse präsentieren. Über die Würze in der Kürze, haben wir in einem früheren Beitrag geschrieben.

Was unbedingt in den Flyer gehört? Logo, Herausgeber (inkl. Webadresse), Texte strukturiert durch knackigen Headlines und Zwischenüberschriften, Bilder (und oder Infografiken). Wer hat, möge Siegel, Fördergeber oder Hinweise z.B. rechtlicher Art nicht vergessen. Wir sind bei der Gestaltung angelangt.

Gestaltung von Broschüren: vom Inhalt über Bilder zur Infografik

Weg von der Zielgruppe, hin zur allgemeinen Gestaltung. Viele Menschen skimmen und verwerfen Flyer oder Broschüren in ein und derselben Handbewegung. Flyer und Broschüren, die mit viel Text und Photographien arbeiten verschwinden dabei noch schneller in der Mülltonne als Broschüren mit schematischen Infografiken. Das jedenfalls, argumentieren Terabe et al. in “The Impact of Flyer with Infographics on Public Awareness and Interest to Transportation Project”. Picture Superiority ist schon lange bekannt ‒ über Infographics Superiority könnten wir in einer nächsten Reading List schreiben. Ein spannendes Thema.

Verschiedene Broschüren auf einem Tisch
Foto von RODNAE Productions: https://www.pexels.com/de-de/foto/information-daten-flyer-ein-haus-kaufen-8292889/

Gute Beispiele und Hands-on Anleitungen für das Erstellen deiner Broschüren und Flyer, mit und ohne Infographiken, gibt es zu Hauf. Bei OIKOPLUS holen wir uns, insbesondere wenn es mal schnell gehen muss, gerne Inspiration von außen. Zum Beispiel bei Canva oder Envato. Für Projekte und Events im Bereich Kunst und Kultur, bietet Visme tolle Inspiration. So werden wir es wohl auch für den nächsten unserer Broschüren machen. Zum Glück ist eine Wochen doch länger als 5 Minuten.

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RL #023: Auf den Punkt gebracht: wissenschaftliche Inhalte präsentieren

Juli und September sind in Europa Konferenzmonate. Untertags steht die Sonne angenehm hoch, Außen- und Innenbereiche können ohne großen Zusatzaufwand genutzt werden. Die Stimmung ist gut, fast ausgelassen. Der Lehrbetrieb ist an den meisten Unis entweder gerade zu Ende gegangen oder hat noch nicht begonnen. Es ist Urlaubszeit und je nach Ort und Interesse hängen einige noch 2-3 Tage an die Konferenz an. Andere kommen eher. Neben dem angenehmen Setting allerdings, sind Konferenzen auch jene Momente in einer Wissenschaftskarriere, in denen es darum geht Aufmerksamkeit für sich und die eigene wissenschaftliche Arbeit zu erzeugen. In einem höchst fluiden Kontext lernen Sie hier ihre nächsten Verbündeten, ihre Co-Autor*innen und Vorgesetzten kennen. Dafür müssen Sie aber mit ihren Ideen überzeugen. Und das bedeutet vor Allem, Inhalte auf den Punkt zu bringen. Genau damit beschäftigt sich diese Reading List.

Photo by Mikael Kristenson on Unsplash

Auf den Punkt bringen: Englisch als doppelte Hürde

Etwas auf den Punkt zu bringen bedeutet zunächst einmal alles Unnötige wegzulassen. Keine Details; nur das für Ihr Argument wichtigste soll artikuliert werden. Synonyme sind ‘etwas klar Aussprechen’, ‘ganz offen sein’, mit etwas ‘nicht hinter dem Berg halten’, ‘deutlich werden’ und sich ‘unmissverständlich ausdrücken’. Gar nicht so einfach, wenn ein Großteil der Kommunikation in Fremdsprache passiert. In der Karrierekolumne des Nature, forderte Roey Elnathan 2021 (paywall) daher, dass es endlich breit aufgestellte Mentoring Programme für angehende und erfahrene Wissenschafter benötige, die in Fremdsprachen publizieren. Präzision, so das Argument von Elnathan, sei anders nicht zu erreichen.

English ist dabei aber nur die aktuelle Lingua Franca der Wissenschaft. Im Video-Podcast Languages in Science von MetodieStrategie führt Timothy E.L Douglas aus, dass wir seit dem 17ten Jahrhundert bereits Latein, Deutsch und Französisch als Wissenschaftssprache erleben durften. Er spricht für die europäisch-westliche und die internationale Wissenschaftscommunity. Zuletzt, so Douglas, wurde die Wissenschaft sprachlich wieder diverser.

Photo by Joshua Hoehne on Unsplash

Ein weiterer wichtiger von Douglas im Podcast angesprochener Punkt betrifft das Zielpublikum. Und dabei, so scheint es, fällt es den englischen Muttersprachlern oft am schwierigsten, ihre eigene Sprachkompetenz an die Community anzupassen. Wie auch für das Schreiben gut lesbarer wissenschaftlicher Texte, ist das Kennen der Hörer*innen und Leser*innen eine Grundbedingung. Sie nämlich definieren den Rahmen für den berüchtigten Punkt auf den wir unsere Argumentation bringen sollen. Jammern auf hohem Niveau?

Ich gestalte eine Präsentation. Was gehört auf den Punkt gebracht?

Kurzum: alles! Die Einleitung, ihre Forschungsfrage und, falls vorhanden, Ihre Hypothesen. Die Methodik. Das Bildmaterial und ihre Argumentation. Kein Detail das nicht benötigt wird, kein Nebensatz zu viel. Kurze Sätze vorgetragen in Sprech- und nicht in Lesegeschwindigkeit und mit Atempausen. Weil viele ihre Argumente kombiniert mit Text, Bild und visualisierten Daten vortragen, auch hier die Erinnerung: kommen Sie auch hier zum Punkt!

Dabei sei festgehalten, dass Diagramme, Graphen und auch Photographien zur Vermittlung von Wissen und Inhalten innerhalb der Fachcommunities zulässig sind. Das jedenfalls argumentiert Laura Perini in Visual Representations and Confirmation (paywall). Die Bilder und bildlichen Darstellungen, die Perini als für die Wissenschaftscommunity klassifiziert, sind damit ungleich jenen, die Wissenschaft repräsentierenden Bildern, die z.B. die Max-Plank Gesellschaft zum Kauf anbietet. Haben Sie kein Kernanliegen, sondern nur ästhetischen Wert? Wieder gilt die Frage nach den Hörer*innnen. Ein Bild zum Nachvollziehen der Geschichte und Kontextes, eine Karte zur Verortung, eine Grafik, um statistische Verteilungen wiederzugeben. Damit letztere übersichtlich bleiben, geht’s hier zu ein paar aussagekräftigen Visualisierungen und DIY Wiki der University of York.

Photo by David Pisnoy on Unsplash

Das eigene Interesse zum Punkt bringen: Feedback einholen, Ideen und Anregungen sammeln, Allianzen schmieden.

Zu guter Letzt’ noch einen Tipp; eine Anregung. Nach meinen ersten eigenen Erfahrungen auf dem Konferenzparkett stellte ich schnell fest, dass ich manchmal nicht die Art von Feedback erhalte, die ich mir erwartet hatte. Wenn aber ihre Präsentation ein Argument au den Punkt gebracht war, dann dürfen Sie das auch von ihren Hörer*innen erwarten. Geben Sie Ihnen eine Frage mit auf den Weg. Teilen Sie mit, was Sie seit ihrer letzten Erkenntnis beschäftigt und laden Sie zum mitdenken ein. Auch Bedürfnisse Ihre eigenen Bedürfnisse dürfen auf den Punkt gebracht werden. Denn nur wenn Sie mit guten Gesprächen im Gepäck von Ihren Konferenzen zurückkehren, finden Sie im Herbst die Motivation sich auf den kommenden Konferenzsommer vorzubereiten.

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RL #016: Minecrafts’ Hühnerbeschleuniger und Neugierde in der Wissenschaft

In dieser Reading List beschäftigen wir uns damit, wie Neugierde in der Wissenschaft politisch ist und wie sie für die Wissenschaftskommunikation Standards setzt. Dazu beginnen wir mit dem Computerspiel Minecraft. Die Neugierde gefunden, kommen wir dann zu ein paar Good Reads, die den Zusammenhang von Neugierde, Wissenschaft und Politik, und zu guter Letzt’ Forscherdrang und Wissenschaftskommunikation thematisieren. Viel Spaß beim lesen!

Motivation ohne Ende: der große Hühnerbeschleuniger

235 Millionen Mal wurde Minecraft verkauft. Öfter als jedes andere Computerspiel auf dieser Welt. Ziel des Spiels ist es Rohstoffe in Würfelform zu kombinieren und daraus Gebäude und Ähnliches zu errichten. Die Spieler:innen bauen Steine und Holz ab, suchen Öl, Feuer und andere Rohstoffe. sie ergründen ein Referenzsystem, das jenem der realen Welt gar nicht unähnlich ist. Tatsächlich gibt es Chemiekurse für Minecraft und die reale Welt. Erlernen Sie Chemie durch das kombinieren von Rohstoffen in Minecraft. Warum nicht?

Der Tag dauert in Minecraft zwanzig Minuten. Die Sonne geht stets im Osten auf. Um die Spielphysik hinter der Kombination von Rohstoffen besser zu verstehen, gibt es von Nutzer:innen erstellte wissenschaftliche Experimente innerhalb von Minecraft. Fünf davon hat Rob Schwarz in einem Blogbeitrag auf Stranger Dimensions zusammengetragen. Der bedeutendste aller Versuche: der große Hühnerbeschleuniger. Ähnlich CERN in der echten Welt, soll der Hühnerbeschleuniger Auskunft über die kleinstmögliche Blockgröße in Minecraft geben.

Screenshot des großen Hühnerbeschleunigers in Minecraft. Zum Video geht’s hier: https://www.youtube.com/watch?v=E0XN00Wy7Rs

Neugierde und das Unerwartete

Was zum Wissen inspiriert, sind die Ergebnisse der Mühen eines Gedankengangs. Und um die Ergebnisse, sowie dahinter stehende Neugierde zu vermitteln, kommt der Kommunikation besonderer Stellenwert zu. Kommunikation ist nämlich die einzige Konstante in einer ansonsten auf Sand gebauten Wissenschaft, argumentiert Nigel Sanitt im Buch Culture, Curiosity and Communication in Scientific Discovery. Die Kommunikation, die Sanitt meint, ist anregend und limitierend zugleich. Denn wer seine Neugierde schlecht kommuniziert sieht sich mit Unverständnis und Verboten konfrontiert. Lassen Sie mich etwas ausholen.

Zur politischen Dimension von Neugierde, konnten Dan M. Kahan et al. in einer 2017 im Political Psychology publizierten Studie nachweisen, dass Informationsverarbeitung die von wissenschaftlicher Neugier getrieben ist, politisch motivierter Informationsverarbeitung entgegenwirkt. Anders gesagt: Menschen mit Forschungsdrang entfernen sich von politischen Narrativen und Stellen diese in Frage. Ihre Ergebnisse sind für die Politik nicht unmittelbar nutzbar. Außerdem: wissenschaftlich neugierige Menschen freuen sich über unerwartete Ergebnisse. Weniger gerne bestätigen Sie den Status Quo.

Nach erfolgreicher Kollision zweier Hühner im Minecraft’schen Teilchenbeschleuniger sind diese verschwunden: weder das für den Hühnertod übliche rohe Huhn oder Brathähnchen bleiben über. Zu sehen sind Federn. Wurden die Hühner zu Energie? War eines der beiden Hühner in seiner Rohstoffkombination ein Antihuhn? Mit dem Bekanntwerden der Resultate zum Experiment beginnt in der Community die Theoriebildung. Die Spielphysik von Minecraft wird in Frage gestellt. Wäre das in einem autoritären Minecraft möglich?

Neugierde in der Wissenschaft

Dass Neugierde in der Wissenschaft Wirkung hat, ist geklärt. Was Neugierde auslöst und wie wir sie nutzbar machen können, nicht. In der Online Ausgabe von Forbes, gibt Diane Hamilton eine Antwort auf die erste der beiden Fragen: Angst, Annahmen, Umwelt und Technik lösen Neugierde aus. Aufschlussreich ist auch ein Podcast der Wharton University mit Astrophysiker Mario Livio: “Curiosity has several kinds or flavors, and they are not driven by the same things.” Es gibt Neugierde für alles; inspiriert und gefüttert muss sie werden.

Neugierde im Kontext der Wissenschaftskommunikation
Neugierde ist unterschiedlich in Ihrer Form und Ausgeprägtheit. Manchmal wird sie eingeschränkt.

Die Neugierde von Menschen zu unterstützen oder zu unterdrücken ist der Schlüssel zum Erfolg. Wenn wir von Neugierde im Kontext von Wissenschaftskommunikation sprechen, dann bedeutet das empathisch zu kommunizieren, schreibt Elaine Burke. Warum, sollte irgendjemand an Deiner Forschung interessiert sein? Außerdem: setzen Sie, wie in einer früheren Ausgabe dieser Reading List ausgeführt, auf Relatability. Erlauben Sie es Ihrer Zielgruppe Bezug herzustellen.

Ich komme zum Schluss und zurück zu Minecraft. Um zu verstehen wie Neugierde in der Wissenschaft funktioniert, bleibt Minecraft ein Sammelsurium fertiggestellter, abgebrochener und nie begonnener Projekte. Vor zehn Jahren ist es mit dem großen Hühnerbeschleuniger gelungen, Menschen abzuholen und dazu zu inspirieren, die Welt von Minecraft zu hinterfragen. Unabhängig vom Thema, liegt wohl darin das Ziel, mindestens aber der Auftrag guter Wissenschaftskommunikation.

Das Rätsel über die kleinstmögliche Blockgröße in Minecraft wurde nicht gelöst.