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RL #031: Künstliche Intelligenz in der Wissenschaft

Viele Tipps wurden in den vergangenen Wochen und Monaten geteilt. Das hier sei die perfekte KI für die Recherche, jene andere die perfekte KI für das Editieren von Texten. Ideen für die besten Prompts bei semantik-basierten generativen KIs fluten Twitter, Reddit, und Co. In dieser Reading List wollen wir keine Tipps dazu geben, welche KI wofür genutzt werden kann. Für eine Reading List macht das nämlich, auch wegen der Schnelllebigkeit der technischen Entwicklung aktuell nicht allzu viel Sinn. Wir wollen auch nicht darüber berichten, wie KI einen Einfluss auf die Wissenschaftskommunikation haben kann. Das nämlich haben wir bereits im vergangenen Sommer in Reading List #021 gemacht. Vielmehr haben wir ein paar Texte zu Gedanken zusammengetragen, die sich damit Auseinandersetzen, wie KI die Wissenschaft in den kommenden Jahren verändern könnte. Viel Spaß beim Lesen!

Künstliche Intelligenz mit Überblick

Eine der größten Herausforderungen der Wissenschaft unabhängig von der Disziplin, ist es mit der Flut an Artikeln Schritt zu halten. 70.000 Publikationen beschäftigen sich beispielsweise laut dem ThinkTank Enago mit dem Protein p53. Ich höre heute zum ersten Mal davon. Anscheinend ist es für die Früherkennung von Tumoren relevant. 1993 wurde es zum Molekül des Jahres gewählt. Anlässlich dieses Jubiläums findet eine KI meiner Wahl folgenden Rückblick: “The first 30 years of p53: growing ever more complex” von Arnold J Levine und Moshe Oren (paywall). Tatsächlich finden sich mittlerweile eine Reihe an Tools mit dem Anspruch, Artikel zu finden und sie in ihrem jeweiligen Publikationskontext darzustellen. Der Einstieg ist geschafft.

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Disruptive Künstliche Intelligenz

Mit dem neu gewonnen Überblick lässt sich auch die Qualität von Resultaten und Ergebnissen neu einordnen. Und zwar auch außerhalb der Wissenschaft. Im Interview mit Digitale Welt bemerkt Prof. Mario Trapp, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Kognitive Systeme IKS: “Auch wenn man heute die Ergebnisse der KI noch durch Ärztinnen oder Ärzte plausibilisieren lassen kann, so wird dies aufgrund der zunehmenden Komplexität in Zukunft kaum noch möglich sein.” Spannend ist die Wortwahl: Noch können ausgebildete Menschen Ergebnisse plausibilisieren. Lange wird das wohl nicht mehr möglich sein.

Als neue Schlüsseltechnologie mit einem breiten Anwendungsspektrum (auch wenn alle Referenzen und Bezugspunkte bisher auf die Medizin verweisen), sehen sich die Hochschulen nun schon zum dritten Mal seit den 1950er und 1970er Jahren mit einem Investitionshype konfrontiert. Besonders gefragt sei dieses Mal multidisziplinäre Forschung im Gleichschritt mit Handlung (also Industrie) und Politik. So jedenfalls argumentieren Y. K Dwivedi et al. in einem im International Juornal of Information Management erschienenen Meinungspapier. Angewandter, und mit Fokus darauf inwiefern die durch KI stark veränderte Interessenslagen im Zusammenspiel auf Medien, Industrie und Forschung wirken, argumentieren G. Berman, K. Williams, und S. Michalska in ihrer frei zugänglichen Studie, dass Forschung im Feld der Künstlichen Intelligenz anders funktioniert als in anderen Feldern.

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Proaktive künstliche Objektivität

KIs helfen den Überblick zu bewahren, sie spülen neues Geld in die Kassen der Universitäten. Ich kehre zurück zur Medizin und zu einem Artikel aus dem Jahr 2018. Auf dem Science Blog – Kaleidoskop für Wissenschaft, verfasste Norbert Bischofberger damals einen spannenden Artikel mit dem Titel “Mit künstlicher Intelligenz zu einer proaktiven Medizin?”. Eine Frage die heute in abgewandelter Form für alle Disziplinen gilt?

Damals kam Bischofberger zum Schluss, dass wir womöglich schon bald nicht länger “reagieren”, sondern uns proaktiv kümmern könnten. Fünf Jahre später könnte bald die Wissensproduktion proaktiv von KIs in die Hand genommen werden. Stellt sich die Frage, ob uns ein objektives Wissenschaftsverständnis dabei in die Hände spielt. Wir werden sehen.

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RL #030: Evaluation von Forschung – Wirkung wirksam messen

Es lässt sich gut und lange darüber streiten, was angemessen ist, wenn es darum geht, die Relevanz, Qualität und Bedeutung von Forschungsarbeit zu bewerten und messbar zu machen. Die hier ausgewählten Links bieten eine Reihe von Perspektiven, Open-Access-Repositorien, Evaluierungsparameter zum Thema Messbarkeit von Forschung. 

Beginnen wir ausnahmsweise einmal nicht mit theoretischen Ausführungen, sondern ganz praktisch. Der Forschungsleitfaden “Your Impact” der University of Illinois at Chicago (UIC) bietet umfassende Informationen zur Bewertung des Impacts von Forschung. Er behandelt verschiedene Metriken, Instrumente und Methoden zur Bewertung der gesellschaftlichen, akademischen und wirtschaftlichen Wirkung von Forschung. Dieser Leitfaden bietet Forschern, Bibliothekaren und Verwaltungsangestellten praktische Ratschläge, wie sie sich in der komplexen Landschaft der Forschungsbewertung zurechtfinden und den Wert und die Bedeutung ihrer Arbeit aufzeigen können.

Die Qual der Methodenwahl

Natürlich beeinflusst die Wahl der Methode immer die Ergebnisse. Dies gilt auch für Methoden zur Forschungsevalutaion. Ein kürzlich von RAND Europe durchgeführtes Projekt zur Bewertung von Forschung zielt darauf ab, das Verständnis und die Methoden zur Bewertung von Forschungsqualität und -auswirkungen zu verbessern. Die Website bietet wertvolle Einblicke für politische Entscheidungsträger, Finanzierungsagenturen und Forschungseinrichtungen, die Evaluierungsverfahren verbessern und evidenzbasierte Entscheidungen treffen möchten.

Wenn Sie auf der Suche nach einer klaren und theoretisch fundierten Einführung in das Thema Forschungsevaluation sind, ist Evaluating Research in Context: A Method for Comprehensive Assessment von Jack Spaapen, Huub Dijstelbloem und Frank Wamelink aus dem Jahr 2007 zu empfehlen. Wie der Titel vermuten lässt, liegt der Schwerpunkt dabei auf einer Sache: Kontext. Der richtige Kontext ist wichtig, wenn nicht nur Publikationen in Zeitschriften und deren Rankingwerte gezählt werden sollen. Forschung findet in verschiedenen Bereichen statt, von denen jeder seine eigenen Ziele, Methoden und Zeitpläne hat. Wenn man sich daher ausschließlich auf universelle Indikatoren stützt, kann der Bewertungsprozess zu stark vereinfacht werden und die Nuancen der verschiedenen Disziplinen werden nicht erfasst. Durch die Berücksichtigung kontextbezogener Aspekte wie feldspezifische Metriken, geografische Faktoren und Forschungsziele lässt sich eine genauere Bewertung der Auswirkungen erzielen, so der Tenor des Buches. 

Vielfältige Forschung erfordert vielfältige Assessment-Methoden

Bei Oikoplus arbeiten wir an einer Reihe von Projekten, die von Horizon Europe, dem Forschungs- und Innovationsprogramm der Europäischen Union, finanziert oder kofinanziert werden. Dies wirft eine sehr praktische Frage auf: Wie misst die EU die Auswirkungen der Projekte, die sie (mit-) finanziert? Die EU-Kommission nennt ihren neuen Rahmen für die Wirkungsbeobachtung “Key Impact Pathways”. Ein kürzlich veröffentlichtes Arbeitspapier gibt einen Einblick in die verschiedenen Indikatoren, die von der EU-Kommission zur Bewertung von Projekten verwendet werden. Ein Blick hinein, kann nicht schaden. 

Wenn es um Evaluation und Messbarkeit geht, ist es naheliegend, Erfolg in Zahlen zu operationalisieren. Allerdings gibt es für diese Operationalisierung kein Schema, das die verschiedenen Arten der wissenschaftlichen Praxis vergleichbar abbilden kann. Die Forschung ist sich dessen bewusst. Eine Antwort auf das Problem ist die Coalition for Advancing Research Assessment (CoARA). Hunderte von Universitäten, Instituten und wissenschaftlichen Institutionen sind der Coalition bereits beigetreten, verbunden von der Vision, dass die Bewertung von Forschung, Forscher:innen und Forschungsorganisationen die vielfältigen Ergebnisse, Praktiken und Aktivitäten anerkennt, die die Qualität und Wirkung der Forschung maximieren. Das erfordert, dass die Bewertung in erster Linie auf einer qualitativen Beurteilung beruht, für die die Peer Review von zentraler Bedeutung ist, unterstützt durch einen verantwortungsvollen Einsatz quantitativer Indikatoren.” Dem sei an dieser Stelle nichts hinzuzufügen.

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RL #029: Kartographie für den Austausch

Seit jeher ist die Fähigkeit, seine unmittelbare Umgebung zu verstehen, von größter Bedeutung. Aus diesem Grund hat die Menschheit im Laufe der Jahrtausende das Handwerk der Darstellung von räumlichen Informationen wie Routen oder Landformen entwickelt und perfektioniert. Vor dem Hintergrund moderner Technologien allerdings, nimmt die Menge und Vielfalt der Informationen, die kartiert werden können, immer mehr zu. Die Möglichkeit, unsere Umgebung zu überblicken, erweist sich heute als zunehmend komplex. In dieser Reading List untersuchen wir, wie die Kartografie den Wissensaustausch erleichtert und als Vehikel für kritisches Denken dienen kann.

Kartographie erklärt

Kartografie ist die Praxis der Kartenerstellung. Ursprünglich nämlich stellten Kartograph*innen räumliche oder geographische Daten grafisch dar. Doch heute müssen sie verschiedene Zahlen von verschiedenen Sensoren und aus verschiedenen Quellen übersetzen. Wie Elik Eizenberg im Online-Magazin Forbes Technology schreibt, schwimmen wir in Daten (und sollten uns darum kümmern). Da wir nicht alle Daten vollständig nutzen können, verliert die kontinuierliche Sammlung neuer Daten durch die Datenwissenschaftler*innen langsam an Bedeutung. Kartieren, so argumentiert Georg Gartner in einem Artikel für Ersi, den weltweit führenden Anbieter von geografischen Informationssystemen, schlägt die Brücke zwischen menschlichen Nutzer*innen und den Daten. Es nutzt die Visualisierung, um die Wissenschaft für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen und ihr Potenzial voll auszuschöpfen.

Punktwolke von Hangrutschungen im Sensuikyo-Tal mittels LIDAR, einem Werkzeug der modernen 3D-Kartografie. Quelle: https://www.unearthlabs.com/blogs/modern-cartography

Von der Wissensrezeption zum Wissensaustausch

Bürger*innen in die Lage zu versetzen, fundierte Entscheidungen zu treffen, kann auch einen anderen Effekt mit sich bringen, nämlich den gegenseitigen Informationsaustausch. Ursprünglich sammeln Kartograph*innen Daten aus verschiedenen Messinstrumenten wie Luftaufnahmen, Fernerkundung, Feldbeobachtungen oder Koordinatenlisten. Diese Daten werden jedoch, wie das Horizon2020 geförderte Projekt WeObserve zeigt, aufgrund der gestiegenen Kosten und der rechtzeitigen Datenvalidierung nur noch selten aktualisiert. Daher wenden sich Kartograph*innen nun zunehmend an Bürger*innen.

Interactive exploration of good and bad governments worldwide by GOV DNA. Source: https://govdna.sudox.nl/#layout/geo/country/WRL/x/32/y/5/z/8/a/0
Interactive exploration of good and bad governments worldwide by GOV DNA. Source: https://govdna.sudox.nl/#layout/geo/country/WRL/x/32/y/5/z/8/a/0
Interactive exploration of good and bad governments worldwide by GOV DNA. Source: https://govdna.sudox.nl/#layout/geo/country/WRL/x/32/y/5/z/8/a/0

Laut Caroline Anstey von der New York Times ist dieser neue Trend zum Crowdsourcing von Informationen für die Kartografie von großem Nutzen. Die Bürger*innen liefern nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Daten, die von Kartographen oft übersehen werden. Das Fachwissen der Bürger kommt daher, dass sie über einen längeren Zeitraum an einem Ort leben. Veränderungen der Demografie, der Umwelt, der zwischenmenschlichen Beziehungen oder sogar der Wohngewohnheiten sind für Kartierungsprojekte nützlich, da sie sich in politischen oder planerischen Entscheidungen niederschlagen können. Um das diesem Austausch zugrunde liegende Vertrauen aufzubauen, sollten Kartograph*innen den Bürger*innen klare und verständliche Informationen zur Verfügung stellen.

Kartographie als Vehikel für kritisches Denken

Laut Sukhmani Mantel inn The Conversation ermöglicht die visuelle Darstellung von Beziehungen, dass Informationen mehrere Sinne ansprechen und für das tägliche Leben relevant werden. Und tatsächlich sind die Bürger*innen in der Lage, neuartige Konzepte mit einem umfassenden sozialen und kulturübergreifenden Verständnis zu verarbeiten. Dies erklärt Aleks Buczkowski in seinem Beitrag für GeoAwesome, die weltweit größte Geodaten-Community.

Im Wesentlichen behaupten Stevenson et al. vom Stockholmer Umweltinstitut in einem SEI-Brief über extreme Citizen-Science-Ansätze in der digitalen Kartierung, dass Menschen aus der Kartierungspraxis, unabhängig von ihrem Bildungsniveau, die Fähigkeit erlangen, die sich entwickelnde Welt zu verstehen. Dies fördert ihre Chancen auf eine bessere Teilhabe an der Welt auch auf einer allgemeineren Ebene: zuvor ausgeschlossene Gruppen werden sich bewusst, wie sie mitgestalten und sich einbringen können. Sie tragen nun zur wissenschaftlichen Forschung bei, der so genannten Citizen Science.

Forensische Architektur hat Fotos und Videos eingefügt, um die Geschichte einer einzelnen Schlacht im Gaza-Krieg 2014 zu rekonstruieren. Quelle: https://www.gold.ac.uk/news/forensic-architecture-ica/

Zusammenfassung

Das Gewinnen präziser kartografischer Daten durch Crowdsourcing steckt noch in den Kinderschuhen, wird aber zunehmend praktiziert. Vor allem, weil die Bürger*innen heute immer mehr Möglichkeiten haben, Werkzeuge zu nutzen, die ihnen Zugang zu globalen Daten verschaffen. Auf unternehmerischer Ebene findet dies bereits statt. Das Projekt Domino-E, das sich auf die Entwicklung einer Schnittstelle zur Optimierung der Verfügbarkeit von Erdbeobachtungsdaten konzentriert, baut auf Interoperabilität und Wissensaustausch mit KMU’s. Die gemeinsame Nutzung von Wissen führt zur Schaffung von Wissen, weshalb es für Kartographen wichtig ist, sich für den Informationsaustausch einzusetzen, da dies sowohl ihnen als auch den Bürgern gleichermaßen zugute kommt.

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RL #028: Der technologische Fortschritt wird’s schon richten, oder nicht?

In unseren Projekten bei Oikoplus kommunizieren wir Wissenschaft und Forschung. Dabei geht‘s um neue Technologien und häufig auch um das Versprechen, durch ihren Einsatz große Herausforderungen der Gegenwart, in den Griff zu bekommen. Technologie löst Probleme. Dafür wird sie schließlich entwickelt. Klar. Aber sollten wir uns als Gesellschaft wirklich auf Technologie verlassen, wenn es darum geht, die großen Probleme unserer Zeit zu lösen? 

Erst gestern wurde der neue Klimabericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) veröffentlicht, der einmal mehr vor drastischen Klimawandel-Folgen gewarnt, die sich noch dazu verschärfen. Können Erfindungen der Schlüssel im Kampf gegen den Klimawandel sein? Treibhausgas-Emissionen sind schließlich selbst eine Folge industrialisierter Prozesse, die einmal als technologische Innovationen galten. 

Vielleicht lenkt der optimistische Blick in die technologische Zukunft bloß davon ab, dass die Problemlösung längst in der Gegenwart stattfinden könnte? Und vielleicht besteht die wahre Problemlösung in die vielen Bereichen eher aus weniger, statt aus mehr Technologie? Steckt hinter Techno-optimism am Ende oft vor allem Greenwashing? Diesen Fragen geht der Techtonic Podcast der Financial Times in einer hörenswerten Folge aus dem November 2022 nach. 

So stellen sich die Algorithmen des KI-Tools Midjourney Technologie vor, die dabei hilft, die Klimakrise zu lösen.

Technikoptimismus, Überoptimismus und Macht 

Ebenfalls im November 2022 hat sich Elizabeth Zhu dem Thema tech-optimism gewdimet, in einem opinion piece auf stanforddaily.com, einem Nachrichtenportal, das von Studierenden der Standord University betrieben wird. Die Universität im kalifornischen Palo Alto gilt als der Hochschul-Campus des Silicon Valley. Die Region ist nicht gerade dafür bekannt, Zukunftstechnologie ablehnend gegenüberzustehen. Zhu stellt fest, dass Unternehmen wie der Facebook-Mutterkonzern Meta selbst nach Skandalen wie Datenlecks oder der Verbreitung russischer Desinformationen als attraktive Arbeitgeber mit einer großen Vision menschlicher Vernetzung wahrgenommen werden. Dieser optimistischer Blick auf Technologie führt laut Zhu zu einem spezifischen Problem: Je mehr Menschen davon ausgehen, dass in Zukunft carbon capturing oder cloud brightening unser Klimaproblem lösen werden, desto stärker werden die systemischen Ursachen des Klimawandels wie der industrielle Abbau fossiler Brennstoffe übersehen.

Werden technologische Lösungsansätze systematisch als Ablenkung von Problemursachen benutzt? Einen guten Einstieg in die Beschäftigung mit dieser Frage bietet der Text Over-Optimism in Technology and the Promotion of the Powerful Man von Sofia Ribeiro und Viriato Soromenho-Marques, die an der Universität Lissabon forschen. Sie verwenden analog zum Greenwashing den Begriff des Technowashings. Dabei würde von politischen Akteuren bewusst alle gesellschaftliche Hoffnung in Richtung Technik und Naturwissenschaft gelenkt, um den Anschein zu vermitteln, dass bereits an Lösungen gearbeitet wird. Genau dieses Technowashing ermögliche es, die Dringlichkeit robuster, integrierter, ethischer, gerechter und multidisziplinärer Maßnahmen und Politiken aufzuschieben.

Und noch eine mit Midjourney kreierte visuelle Tech-Utopie.

Techno-solutionism vs. techno-criticism

Einen weiteren hübschen Begriff, nämlich techno-solutionism, verwendet Harry Surden in einem Symposien-Beitrag im Yale Journal of Regulation. Surden stellt fest, der techno-soultionism tendiere dazu, Technologien wie die künstliche Intelligenz zu verherrlichen und sie unrealistisch als einfache Lösungen für die viel komplexeren, systemischen Probleme in der Gesellschaft darzustellen. Gleichzeitig neige aber die Technikkritik zu einer Überbetonung der negativen Aspekte von Technologien, indem sie sich entweder übermäßig auf potenzielle zukünftige Probleme konzentriert, die auftreten können – oder auch nicht, oder indem sie unverhältnismäßig stark die Grenzfälle hervorhebt, in denen eine Technologie problematisch ist, während sie andere Bereiche übersieht, in denen sie schrittweise signifikante gesellschaftliche Verbesserungen bringt.

Bei Oikoplus bemühen wir uns in all unserer Projekt-Kommunikation, nicht so zu tun, als würden die Projekte abschließende Antworten auf drängende Fragen liefern. Denn jedes unserer Projekte ist stets nur einer von vielen Beiträgen zur wissenschaftlichen Bearbeitung großer Herausforderungen. Wir sind überzeugt, dass Technologie immer einen entscheidenden Beitrag leisten kann. Aber am Ende sind es Menschen, die Technologien einsetzen. Deshalb liegen die großen Antworten im menschlichen Verhalten, und nicht in der Technologie selbst. Das gilt nicht erst in der Zukunft, sondern auch in der Gegenwart. 

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RL #027: Broschüren und Flyern ‒ sinnvolle Ergänzung im Kommunikations-Toolkit?

Waaahh! Nächste Woche schon soll es los gehen. Toulouse ist das Ziel. Frankreich. Und wir betreuen den Ausstellungsstand. Jetzt, gefühlt fünf Minuten vor Abreise, sollen nun doch noch Projektbroschüren gedruckt werden. Also gehen wir in dieser Reading List der Frage nach, ob und wie das Erstellen von Flyer und Broschüren noch sinnvoll ist.

Bitte mitnehmen: Flyer für die Ewigkeit

Man könnte meinen, dass der Erfolg des Internet in den vergangenen Dekaden verschiedenste Drucksorten verdrängte. Auf sozialen Medien können Kunden doch ganz einfach angesprochen, informiert und akquiriert werden. Das stimmt jedenfalls für jene hippen Branchen die unsere Social Media Feeds fluten: Morgenroutine, Home Improvement, Crypto und Travel. Broschüren und Flyer, die außerdem noch einen höheren ökologischen Fußabdruck haben ‒ brauchen wir das noch?

Flyer von Autosalon auf Tisch
Photo by Ejov Igor: https://www.pexels.com/photo/a-autosalon-brochure-on-brown-surface-14425192/

Themen die weniger Lifestyle-orientiert oder die in ihren Inhalten sensitiv sind, haben es in affirmativen Social-Media Umfeldern, die von visuellen Inhalten geprägt sind, deutlich schwieriger. Die Bewerbung zur Teilnahme an Krebsstudien wäre ein Beispiel dafür. Oder Projekte die Energiearmut thematisieren (z.B. EnergyMeasures). Auch hochspezialisiertes Fachpublikum zeigt sich für analoge Formate wie Broschüren und Flyer weiter empfänglich. Dabei haben beide Drucksorten konkrete Vorteile. Im Forbes Magazin in “Paper Beats Digital In Many Ways, According to Neuroscience”, argumentiert Roger Dooley, dass Print-Formate mit wenig Text den Wiedererkennungswert von Marken wesentlich nachhaltiger als digitale Pendants steigern.

Wie bei jedem Kommunikationsprodukt, hängt der Erfolg auch bei Broschüre und Flyer vom zielgruppenoptimierten Inhalt, Format und Handlungsaufforderung ab. Ein besonderes Augenmerk sollte dabei auf die Interoperabilität gelegt sein. Auf ihrem Blog, führt die Autorin und Schreibtrainerin Annika Lamer aus, dass Flyer und Broschüren im Verbund mit Websites agieren: in den meisten Fällen findet nämlich die auf den Flyer folgende Interaktion online statt. Flyer und Broschüren sind also eine Brücke zur Website oder, noch besser, einem maßgeschneidertem Angebot auf ihrer Website.

Broschüren Struktur geben: vom Handzettel über den Falzflyer zur Quadratur

Beim Entwickeln des Flyers beginnen wir nicht mit dem Text. Wir beginnen mit der Struktur. Eigentlich beginnen wir mit Layout und Struktur und Text. Alles gemeinsam. Dabei legen sie zunächst den groben Umfang fest, wählen dann das Format und konzipieren dann den Text. Jede Seite im Flyer bekommt ein Thema. Vorschlag für drei Falzungen mit sechs Seiten: eine Titelseite, eine Kontaktseite, drei Seiten für drei Inhalte, eine Seite für Extra Content. Kein Thema bekommt zwei Seiten. Consistency is key. Die hier angeführte, sehr anschauliche Grafik dazu, findet sich auf dem Blogbeitrag von Annika Lamer.

Broschüre Aufteilung nach Annika Lamer.
Annika Lamer, 2016. Url: https://www.annika-lamer.de/so-entwickeln-sie-einen-starken-flyer/lamer_flyer-aufteilung/

Die Texte selbst, sollten kurz sein. Kurz bedeutet dabei nicht, dass alles zusammengekürzt werden soll. Es bedeutet, dass Sie sich einschränken und nur die beliebtesten oder außergewöhnlichsten ihrer Leistungen und Ergebnisse präsentieren. Über die Würze in der Kürze, haben wir in einem früheren Beitrag geschrieben.

Was unbedingt in den Flyer gehört? Logo, Herausgeber (inkl. Webadresse), Texte strukturiert durch knackigen Headlines und Zwischenüberschriften, Bilder (und oder Infografiken). Wer hat, möge Siegel, Fördergeber oder Hinweise z.B. rechtlicher Art nicht vergessen. Wir sind bei der Gestaltung angelangt.

Gestaltung von Broschüren: vom Inhalt über Bilder zur Infografik

Weg von der Zielgruppe, hin zur allgemeinen Gestaltung. Viele Menschen skimmen und verwerfen Flyer oder Broschüren in ein und derselben Handbewegung. Flyer und Broschüren, die mit viel Text und Photographien arbeiten verschwinden dabei noch schneller in der Mülltonne als Broschüren mit schematischen Infografiken. Das jedenfalls, argumentieren Terabe et al. in “The Impact of Flyer with Infographics on Public Awareness and Interest to Transportation Project”. Picture Superiority ist schon lange bekannt ‒ über Infographics Superiority könnten wir in einer nächsten Reading List schreiben. Ein spannendes Thema.

Verschiedene Broschüren auf einem Tisch
Foto von RODNAE Productions: https://www.pexels.com/de-de/foto/information-daten-flyer-ein-haus-kaufen-8292889/

Gute Beispiele und Hands-on Anleitungen für das Erstellen deiner Broschüren und Flyer, mit und ohne Infographiken, gibt es zu Hauf. Bei OIKOPLUS holen wir uns, insbesondere wenn es mal schnell gehen muss, gerne Inspiration von außen. Zum Beispiel bei Canva oder Envato. Für Projekte und Events im Bereich Kunst und Kultur, bietet Visme tolle Inspiration. So werden wir es wohl auch für den nächsten unserer Broschüren machen. Zum Glück ist eine Wochen doch länger als 5 Minuten.

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RL #026: Umstrittene Forschung: Wie kommuniziert man heikle Science?

Über schwierige Themen, moralische Fragen, Forschungsethik und Interessenkonflikte in der Wissenschaftskommunikation. 

In der Wissenschaft gibt es Themenfelder, auf denen es vor kommunikativen Fallstricken nur so wimmelt. Themen, die gesellschaftlich kontrovers diskutiert werden, Forschung, bei der umstrittene Methoden und Technologien mit ungewissen Folgewirkungen zum Einsatz kommen. Sie erfordern Fingerspitzengefühl und Vorsicht wenn es darum geht ihre Resultate verständlich und zugänglich für eine große und öffentliche Zielgruppe zu kommunizieren. Oft sind es dabei ethische Fragen, die für intensiv geführte Diskussionen sorgen, weil verbreitete gesellschaftliche Wert- und Moralvorstellungen herausgefordert werden. Beispiele für solche Forschungsthemen sind etwa die anwendungsorientierte Gentechnologie, Tierversuche in den Life Sciences oder auch Aspekte der Gender Studies in den Sozialwissenschaften. 

Viele Wissenschaftler, die in solchen Bereichen tätig sind, wissen das. Sie kommunizieren behutsam und suchen nicht gerade die große Öffentlichkeit, um ihre Arbeit zu präsentieren und öffentlich diskutieren zu lassen. Denn wo öffentlich diskutiert wird, drohen nicht nur sachliche und fachliche Kritik, sondern auch unsachliche Kritik und Shitstorms. Forschende, die auf Kritik von außerhalb ihrer fachlichen Bubble stoßen, fühlen sich in aller Regel missverstanden. Und damit dürften sie oft Recht haben. Aktuelle Studien zeigen: Menschen, die zu kontroversen Forschungsthemen eine starke Meinung haben, schätzen ihr Wissen über diese Themen oft höher ein, als es tatsächlich ist.

Photo by Zuzana Ruttkayova: https://www.pexels.com/photo/brown-wooden-beach-dock-under-cloudy-sky-7225642/

Oh Lord, please don’t let me be misunderstood

Ein Forscher, der an einem der Projekte beteiligt ist, in denen Oikoplus als Partner für die Science Communication und Dissemination verantwortlich ist, drückte das gerade erst in einer eMail aus: „Our research requires that we are very careful with the information that is out there. I would like to avoid a situation of messaging getting misunderstood or misexplained. I could think of a gazillion ways this could go wrong in a spur of the moment.” Nun – es lässt sich kaum gänzlich ausschließen, dass Kommunikation missverstanden wird. 

Zumindest aber, gibt eine sehr simple Regel, die sich beachten lässt, wenn man wegen der Sensibilität eines Themas erhöhten Wert darauf legt, sachlich korrekt zu bleiben und möglichst Wenig Interpretations- und Auslegungsspielraum zu bieten: Vermeide Humor,  insbesondere in den sozialen Medien. Guter Humor ist die schwierigste Disziplin der Unterhaltung, und die meisten Pointen kommen nicht ohne Kollateralschäden aus, ohne Menschen, die sich getroffen und verletzt fühlen. Für die Wissenschaftskommunikation bei gilt deshalb meist, dass sie ernsthaft, höflich und korrekt zu sein hat. Oder aber, man wählt ganz bewusst den humorvollen Weg, auch wenn er vielleicht riskant ist. Über Humor in der  Wissenschaftskommunikation hat Kelleigh Greene für den Blog von Scientia geschrieben. Darin argumentiert sie, dass Humor und Wissenschaftskommunikation sehr wohl zusammenpassen.

Keine Angst vor der Zielgruppe

Vorsicht ist geboten, wenn heikle Theman kommuniziert werden. Jedoch sollte man seine Kommunikation auch nicht völlig der Vorsicht unterwerfen und dem Diskurs aus dem Weg gehen. Wissenschaft kann Kritik aushalten. Das heißt jedoch nicht, dass auch jede:r einzelne Wissenschaftler:in Kritik aushalten können muss. Was wir unseren Partner:innen aus der Wissenschaft immer wieder sagen: Keine Panik! Die lautesten Kritikerinnen und Kritiker im Diskurs sind in den seltensten Fällen repräsentativ für die Gesamtheit der Öffentlichkeit. Und manchmal täuscht besonders laut vorgetragene Kritik über leise Zustimmung hinweg. Am Beispiel der CRISPR/Cas9-Technologie haben Kommunikationswissenschaftler:innen der Universität Twente in den Niederlanden erhoben, welche unterschiedlichen Perspektiven es innerhalb der niederländischen Öffentlichkeit gegenüber dieser noch relativ neuen gentechnischen Methode gibt. Dabei griffen die Kommunikationsforscher:innen auf die Q Methode zurück, bei der Aussagen von Studienteilnehmer:innen (hier n=30) dem Zustimmungsgrad nach in eine Rangfolge gebracht werden. Es stellte sich heraus, dass die Teilnehmenden der CRISPR/Cas9-Technologie im Allgemeinen offen und optimistisch gegenüberstanden.

Photo by Edward Jenner: https://www.pexels.com/photo/photo-of-a-person-s-hands-holding-a-petri-dish-with-blue-liquid-4031369/

Die eigene Rolle bewusst machen

Das mag viele Wissenschaftler:innen, die an Gene Editing forschen, optimistisch stimmen. In jedem Fall hilft es Forschenden, sich mit den Zielgruppen ihrer Wissenschaftskommunikation zu beschäftigen. Dazu bietet es sich an, mit Expert:innen zusammenzuarbeiten. Wie eine solche Zusammenarbeit aussehen kann, zeigt zum Beispiel eine Untersuchung des Julius Kühn Instituts im deutschen Quedlinburg. Dafür haben sich die dort forschenden Genetiker:innen mit Kommunikationswissenschaftler:innen der niederländischen Uni Wageningen zusammengetan. Ziel war es, ganz konkrete Empfehlungen für die Kommunikation zum Thema Genetische Modifikation zu entwickeln. Ein Teil des Ergebnisses: Das Vertrauen in die Wissenschaft ist hoch, und Wissenschaftler:innen wird zugetraut, Sicherheit, Transparenz und Nachhaltigkeit ernst zu nehmen. Deshalb sollten sich Wissenschaftler:innen, die an Themen arbeiten, die streitbar sind, nicht verstecken. Sie sind diejenigen, die Expertise einbringen können. Dafür sind sie da, könnte man sagen. 

Führt Expertise automatisch zum Interessenkonflikt?

Doch das sieht nicht jede:r so. In manchen Debatten passiert es, dass die Expertise der Forschenden als Interessenkonflikt gedeutet wird: Wenn beispielsweise Genetikerinnen für eine Lockerung der Regulation des Einsatzes der Gentechnik sind, heißt es schnell: wie könnten auch ausgerechnet Genetikerinnen dagegen sein?  Mit solchen möglichen Interessenkonflikten beschäftigt sich ein Beitrag des Philosophen Alexander Christian in Frontiers am Beispiel der CRISPR/Cas9 Debatte. 

Diskursive Fallstricke zu durchtrennen, ist nicht leicht. Manchmal ist es schlicht unmöglich. Doch Transparenz und Offenheit, können kaum schaden, um eine möglichst breite und offene Diskussion über Forschung und ihre Ergebnisse zu ermöglichen. Bei Oikoplus unterstützen wir Forschende, ihre Arbeit zu erklären und zugänglich zu machen. Wir raten ihnen stets, sich dabei nicht zu verstecken. 

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RL #025: Buchstaben wie Sand am Meer

Drei Kommunikationsstrategien sollen wir in den kommenden zwei Monaten verfassen. Drei potentielle Buchstabenwüsten die das Rückgrat der Kommunikationsarbeit bilden. Sie sollen nicht scheinbar passiv wie Sand am Meer sein; aus ihnen sollen Burgen erbaut werden. Burgen der Kommunikation die Wasser und Muscheln mitdenken, für die wir aufwendiges Equippment wie Schaufel und Eimer benötigen. Burgen die im Laufe der Zeit in sich zusammenstürzen und wiederaufgebaut werden dürfen, weil Elon Twitter gegen die Wand fährt. In dieser Reading List schreibe ich über die Bedeutung einer starken Kommunikationsstrategie im Kontext von Wissensprojekten.

Simple Kommunikation

Kommunikations ist gar nicht so komplex. Im Prinzip – darin stimmen die meisten Ratgeber überein – geht es darum eine möglichst einheitliche Botschaft an unterschiedlich betroffene Personen zu übermitteln. Einheitlich, konsistent, frei von Widersprüchen soll Kommunikation sein. Die meisten Menschen – das gilt für Wissenschaftsprojekte ähnlich wie für andere Kontexte – müssen gar nicht alles wissen. Eventuell wollen sie gar nicht Alles wissen. Oft haben sie dazu auch nicht die notwendigen Ressourcen. Sie interessieren sich nämlich auch für ganz andere Themen. Eventuell doch gar nicht so einfach. Um unsere Ziele zu erreichen brauchen wir Nachvollziebarkeit und Kürze. Müssen Neugierde wecken und immer wieder auch bereit sein unsere vermeintliche Comfort-Zone zu verlassen. Über all das haben wir bereits geschrieben. Bisher aber ohne Strategie.

Die Strategie; ein Begriff aus der Kriegsführung

Bild von Willi Heidelbach auf Pixabay

Der Begriff der Strategie ist ein militärischer. Strategie ist durchdacht und gut geplant. Sie hat klare Ziele und basiert auf Erfahrungen und Daten. Sarah Laoyan beruft sich in einem einschlägigen Blogbeitrag für die Workflow-Organisatoren von Asana auf die Kunst des Krieges von Sun Tzu. Der Begriff der Strategie, so Tzu, steht jenem der Taktik entgegen. Er bezeichnet einzelne Maßnhamen, die notwendig werden, um Ziele zu erreichen. 12 SEO optimierte Artikel schreiben, 10 hochqualitative Backlinks generieren, ein Website Audit durchführen um SEO Fehler zu beheben. Für Jesse Sumrak von Foundr sind das Taktiken, nicht Strategien. Für den Ethnographen und Marxisten Michel de Certeau sind Strategien und Taktiken mit Macht, Ort und Hoheit verbunden. In The Practice of Everyday Life, schreibt de Certeau:

I call a strategy the calculation (or manipulation) of power
relationships that becomes possible as soon as a subject with will and power can be isolated. It postulates a place that can be delimited as its own and serve as the base from which relations with an exteriority composed of targets or threats can be managed.

[…]

By contrast with a strategy, a tactic is a calculated action determined by the absence of a proper locus. No delimitation of an exteriority, then, provides it with the condition necessary for autonomy. The space of a tactic is the space of the other. Thus it must play on and with a terrain imposed on it and organized by the law of a foreign power.

de Certeau, Michel. 2005. “The Practice of Everyday Life. ‘Making do’: uses and tactics.”, In: Spiegel, Gabrielle, M. “Practicing History. New Directions in Historical Writing and the Linguisitc Turn”, pp. 218-219.

Wenn wir de Certreau ernst nehmen, dann bedeutet das, sich der eigenen Mittel und Hoheit bewusst zu werden und zu sein.

Strategisch kommunizieren

Eine umfassende und gute Kommunikationsstrategie nimmt sich eben dies zu Herzen. Sie kennt die Ressourcen die wir haben; weiß wann der Strandbeauftragte mit dem Bagger kommt. Sie inkludiert eine Message, Zielgruppen, Kanäle, und Methoden zum Evaluieren und Einholen von Feedback. Weil in der Kommunikationsstrategie eben alle Absichten, genauso wie die Eventualitäten aufeinandertreffen, und weil in einer Strategie gleich zu Beginn eines Projektes Entscheidungen getroffen werden, verweigert sich Roger L. Martin in der Harvard Business Review der Annahme von einer von der Strategie entkoppelten Umsetzung zu schreiben. Er meint: Strategie ist Umsetzung. Und Umsetzung beginnt damit, all jene die involviert ihre Teilhabe in der Kommunikation zu ermöglichen. Wir sind zurück bei de Certeau. Es geht darum, jene Orte der Kommunikation zu bewirten über die wir Hoheit haben und haben könnten. Und darum, den baggerfahrenden Strandbeauftragten zu bitten, unsere Sandburg stehen zu lassen.

Strategie verorten

Image by Pexels from Pixabay 

Zurück zu den Buchstaben und zum Sand am Meer. In einer Kommunikationsstrategie die zu nahe am Wasser und zu nahe an den Zugängen zum Strand gebaut ist, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie schnell zum Einsturz gebracht wird. Es gilt einen Ort zu finden, der uns auch dann wenn Unvorhergesehens geschieht, reagieren zu können. Es geht darum Taktiken zu entwickeln die wir zur Anwendung bringen können wenn es die Situation erfordert. Und es geht darum der Kommunikation eine geteilte Identität zu geben, die uns über Monate und Jahre hinweg begleitet. Das macht eine gelungene Kommunikationsstrategie.

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RL #024: Aus unserer Projektarbeit: Gamification im Archäologie-Tourismus

In dieser Oikoplus Reading List geht es ausnahmsweise nicht um eine bestimmte Fragestellung aus dem Bereich der Science Communication and Research Dissemination. In dieser Oikoplus Reading List geht  um eines unserer eigenen Projekte.

In den vergangenen zwei Jahren haben wir durch die Beteiligung unseres Vereins Sustainication e.V. am Interreg-Projekt ArcheoDanube viel über Archäologie gelernt. Und über die spannende Herausforderung, Archäologie für die Entwicklung nachhaltiger Tourismuskonzepte zu nutzen. 

Nach zweieinhalb intensiven Projektjahren geht ArcheoDanube Ende 2022 zu Ende. Mitte November fand die Closing Conference in der slowenischen Stadt Ptuj statt. Die unterschiedlichen am Projekt beteiligten Institutionen aus elf Ländern des Donauraums präsentierten die Ergebnisse des Projekts. Dazu zählen nicht nur  Guidelines zur Entwicklung archäologischer Parks als Vehikel für nachhaltigen Archäologie-Tourismus, sondern auch konkrete lokale Pilot Actions, in denen das Konzept der Archäologische Parks erprobt wird.

Und was hat ArcheoDanube nun mit Wissenschaftskommunination und Oikoplus zu tun? Jede Menge. Denn die Einbettung von Archäologie in Tourismuskonzepte erfordert die Kommmunikation von Forschungsergebnissen – angepasst an einen spezifischen Ort und spezifische Zielgruppen. Das Team von Sustainication/Oikoplus konnte sich nicht nur beim Verfassen eines e-Handbook über das Management archäologischer Stätten ins Projekt einbringen, sondern auch in drei Think Tank Workshops, in denen Local Action Plans in Szombathely (HU), Pilsen (CZ) und X (HR) evaluiert wurden. 

Digitale Tools, die helfen ArcheoTourism zum innovativen Erlebnis zu machen

Und: Wir haben eine Mobile App entwickelt. Die App ArcheoTales für Android und iOS, die gemeinsam mit dem Grazer Unternehmen Softwaregärtner entwickelt wurde, erlaubt es, Besucher von archäologischen Stätten und Museen auf digitale Scavenger Hunts (Schnitzeljagden) zu schicken. Damit können Anbieter von Kulturtourismus und Betreiber von Kulturerbestätten unterschiedlichen Zielgruppen didaktisch und spielerisch aufbereitete Inhalte anbieten. Und die Besucher können die Ausstellung in Form eines Rätselspiels in ihrem individuellen, eigenen Tempo erleben. Dabei kommunizieren die Besucher via Mobile App mit fiktiven Charactern in einem Massenger-Interface. 

Ein weiteres digitales Tool, das im Projekt ArcheoDanube entwickelt wurde, ist Yesterday-Today-Tomorrow. Es richtet sich speziell an Städte und Gemeinden, die über Kulturerbe- und Archäologiestätten verfügen, und eine Hilfestellung bei der Erstellung eines touristischen Konzepts in Form eines Archeoparks suchen. 

Wir haben im Projekt ArcheoTales ungemein viel über Archäologie und die Kulturgeschichte des Donauraums lernen dürfen, wunderbare Orte mit kulturtouristischen Schätzen besucht und fantastische Kolleginnen und Kollegen aus 14 Ländern kennengelernt. Dabei haben wir neue Freundschaften geschlossen und in einem für uns ganz neuen Bereich erfahren, was gute Wissenschaftskommunikation leisten kann – und wieviel Spaß es macht, sie zu betreiben.  

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RL #023: Auf den Punkt gebracht: wissenschaftliche Inhalte präsentieren

Juli und September sind in Europa Konferenzmonate. Untertags steht die Sonne angenehm hoch, Außen- und Innenbereiche können ohne großen Zusatzaufwand genutzt werden. Die Stimmung ist gut, fast ausgelassen. Der Lehrbetrieb ist an den meisten Unis entweder gerade zu Ende gegangen oder hat noch nicht begonnen. Es ist Urlaubszeit und je nach Ort und Interesse hängen einige noch 2-3 Tage an die Konferenz an. Andere kommen eher. Neben dem angenehmen Setting allerdings, sind Konferenzen auch jene Momente in einer Wissenschaftskarriere, in denen es darum geht Aufmerksamkeit für sich und die eigene wissenschaftliche Arbeit zu erzeugen. In einem höchst fluiden Kontext lernen Sie hier ihre nächsten Verbündeten, ihre Co-Autor*innen und Vorgesetzten kennen. Dafür müssen Sie aber mit ihren Ideen überzeugen. Und das bedeutet vor Allem, Inhalte auf den Punkt zu bringen. Genau damit beschäftigt sich diese Reading List.

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Auf den Punkt bringen: Englisch als doppelte Hürde

Etwas auf den Punkt zu bringen bedeutet zunächst einmal alles Unnötige wegzulassen. Keine Details; nur das für Ihr Argument wichtigste soll artikuliert werden. Synonyme sind ‘etwas klar Aussprechen’, ‘ganz offen sein’, mit etwas ‘nicht hinter dem Berg halten’, ‘deutlich werden’ und sich ‘unmissverständlich ausdrücken’. Gar nicht so einfach, wenn ein Großteil der Kommunikation in Fremdsprache passiert. In der Karrierekolumne des Nature, forderte Roey Elnathan 2021 (paywall) daher, dass es endlich breit aufgestellte Mentoring Programme für angehende und erfahrene Wissenschafter benötige, die in Fremdsprachen publizieren. Präzision, so das Argument von Elnathan, sei anders nicht zu erreichen.

English ist dabei aber nur die aktuelle Lingua Franca der Wissenschaft. Im Video-Podcast Languages in Science von MetodieStrategie führt Timothy E.L Douglas aus, dass wir seit dem 17ten Jahrhundert bereits Latein, Deutsch und Französisch als Wissenschaftssprache erleben durften. Er spricht für die europäisch-westliche und die internationale Wissenschaftscommunity. Zuletzt, so Douglas, wurde die Wissenschaft sprachlich wieder diverser.

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Ein weiterer wichtiger von Douglas im Podcast angesprochener Punkt betrifft das Zielpublikum. Und dabei, so scheint es, fällt es den englischen Muttersprachlern oft am schwierigsten, ihre eigene Sprachkompetenz an die Community anzupassen. Wie auch für das Schreiben gut lesbarer wissenschaftlicher Texte, ist das Kennen der Hörer*innen und Leser*innen eine Grundbedingung. Sie nämlich definieren den Rahmen für den berüchtigten Punkt auf den wir unsere Argumentation bringen sollen. Jammern auf hohem Niveau?

Ich gestalte eine Präsentation. Was gehört auf den Punkt gebracht?

Kurzum: alles! Die Einleitung, ihre Forschungsfrage und, falls vorhanden, Ihre Hypothesen. Die Methodik. Das Bildmaterial und ihre Argumentation. Kein Detail das nicht benötigt wird, kein Nebensatz zu viel. Kurze Sätze vorgetragen in Sprech- und nicht in Lesegeschwindigkeit und mit Atempausen. Weil viele ihre Argumente kombiniert mit Text, Bild und visualisierten Daten vortragen, auch hier die Erinnerung: kommen Sie auch hier zum Punkt!

Dabei sei festgehalten, dass Diagramme, Graphen und auch Photographien zur Vermittlung von Wissen und Inhalten innerhalb der Fachcommunities zulässig sind. Das jedenfalls argumentiert Laura Perini in Visual Representations and Confirmation (paywall). Die Bilder und bildlichen Darstellungen, die Perini als für die Wissenschaftscommunity klassifiziert, sind damit ungleich jenen, die Wissenschaft repräsentierenden Bildern, die z.B. die Max-Plank Gesellschaft zum Kauf anbietet. Haben Sie kein Kernanliegen, sondern nur ästhetischen Wert? Wieder gilt die Frage nach den Hörer*innnen. Ein Bild zum Nachvollziehen der Geschichte und Kontextes, eine Karte zur Verortung, eine Grafik, um statistische Verteilungen wiederzugeben. Damit letztere übersichtlich bleiben, geht’s hier zu ein paar aussagekräftigen Visualisierungen und DIY Wiki der University of York.

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Das eigene Interesse zum Punkt bringen: Feedback einholen, Ideen und Anregungen sammeln, Allianzen schmieden.

Zu guter Letzt’ noch einen Tipp; eine Anregung. Nach meinen ersten eigenen Erfahrungen auf dem Konferenzparkett stellte ich schnell fest, dass ich manchmal nicht die Art von Feedback erhalte, die ich mir erwartet hatte. Wenn aber ihre Präsentation ein Argument au den Punkt gebracht war, dann dürfen Sie das auch von ihren Hörer*innen erwarten. Geben Sie Ihnen eine Frage mit auf den Weg. Teilen Sie mit, was Sie seit ihrer letzten Erkenntnis beschäftigt und laden Sie zum mitdenken ein. Auch Bedürfnisse Ihre eigenen Bedürfnisse dürfen auf den Punkt gebracht werden. Denn nur wenn Sie mit guten Gesprächen im Gepäck von Ihren Konferenzen zurückkehren, finden Sie im Herbst die Motivation sich auf den kommenden Konferenzsommer vorzubereiten.

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RL #022: Was Sie über Energie-Kooperativen wissen sollten

Die Beschäftigung der Medien mit der Energiewende ist durch die Energiekrise in Europa aktueller denn je. Und obwohl es vielen Medien gelingt, eine abgerundete und ausgewogene Debatte über die Rolle von Regierungen, Privatunternehmen in der Energiepolitik zu führen, wird dem Gedanken an Bemühungen um eine dezentrale, autonome und lokale Energieversorgung mit Bürgerbeteiligung nur wenig Raum gegeben. 

Wenn man Begriffe wie Bürgerbeteiligung in der komplexen Welt der Energieversorgung hört – z.B. Bürgerkraftwerke, Energiekooperativen oder Energiegemeschaften – klingen sie oft wie futuristische Phrasen, die in der Welt der Energiekonzerne ein bisschen fehl am platz sind. Das ist verständlich, aber falsch. Dieser Beitrag von Studierenden der Betriebswirtschaftslehre und der Umweltwissenschaften beleuchtet das Konzept der Energiegemeinschaften, die auf einer Zusammenarbeit zwischen Bürger:innen, Regierungen und Unternehmen für eine saubere Energiewende beruhen. Diese Initiativen leisten inzwischen europaweit einen großen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels, wie Sara Giovanni von Energy Cities, einer europäischen Lerngemeinschaft für zukunftsfähige Städte, betont. Es ist daher umso wichtiger, dass die Kommunikation und der Informationsfluss über diese Initiativen verbessert werden. Deshalb widmen wir dem Thema diese Reading List.

Nach außen wenden

Zu den wichtigsten Problemen bei der Förderung von Energiegemeinschaften gehört der mangelnde Zugang zu Informationen. Das bedeutet für Interessierte, dass eine aktive Suche erforderlich ist, die ohne Vorkenntnisse schwierig ist. Ein weiteres Problem, auf das Wahlund und Palm von der Universität Lund hinweisen, ist die Voreingenommenheit gegenüber einem dezentralen Energiemodell und die Unterrepräsentation von Energiegemeinschaften (EG) in den Mainstream-Medien. Dezentrale Energieversorgung – das ist schlicht nicht die Norm, sondern wird von vielen noch als exotisch wahrgenommen. Daraus folgt, wie die Ergebnisse dieser Studie zweier niederländischer Universitäten zeigen, ein Mangel an Vertrauen der breiten Öffentlichkeit in die Energiegemeinschaften und damit eine Gleichgültigkeit gegenüber einer aktiven Rolle bei der Energiewende.

Für diejenigen, die sich bereits für Energiegemeinschaften interessieren, gibt es jedoch verschiedene Quellen, darunter diese Datenbank der Europäischen Föderation der Energie- und Umweltagenturen und -regionen, die nicht nur einen Einblick in die Beispiele, sondern auch in verschiedene Veröffentlichungen und Aktualisierungen im Zusammenhang mit Energiegemeinschaften bietet. Ein weiteres, allgemeineres Beispiel für eine informative Datenbank ist die Website Projects for Public Spaces, die eine breite Palette von gemeinschaftlich geführten Projekten aus der ganzen Welt zusammenfasst.

Und nach innen

Einer der Vorteile der internen Kommunikation innerhalb von Energiegemeinschaften ist das bereits bestehende Interesse an einer aktiven Beteiligung an der Energiewende, das als Antrieb für die Suche nach neuen Möglichkeiten des Wissensaustauschs und deren Schaffung dient. Dies hat, wie in diesem Forschungspapier der Universität Bologna dargestellt, zu einer Vielzahl von Versuchen geführt, EGs zu schaffen und die Kommunikation zwischen ihnen zu verbessern. Viele Studien, wie diese, wurden auch durchgeführt, um neue Methoden des Wissensaustauschs in der Energiewirtschaft und Änderungen zu analysieren, die vorgenommen werden können, um den Sektor an die Standards und Erfordernisse des 21.Jahrhunderts anzupassen.

Laut John S. Edwards von der Aston University in Birmingham fehlt es vielen Energie-Gemeinschaften im Bereich der erneuerbaren Energien jedoch immer noch an einem guten Verständnis für Wissensmanagement und Wissensverteilung, die im Öl- und Gassektor sehr gut entwickelt sind, was dazu führt, dass die Förderung grüner Energien und der interne Wissensaustausch hinter der fossilen Brennstoffindustrie zurückbleiben. Der Erwerb, die Archivierung und die Nutzung von Wissen innerhalb von Energiegemeinschaften werden, wie William King in seiner Doktorarbeit an der Universität Coventry feststellte, in den kommerziellen Branchen viel besser verstanden und betrieben als in den EGs, die sich flächendeckend eher noch in einem frühen Entwicklungsstadium befinden. Darüber hinaus gibt es keinen theoretischen Rahmen, der als allgemeingültiges Handbuch fungieren könnte, in dem wirksame Strategien für das Wissensmanagement (einschließlich der verwendeten Sprache, eines Glossars der Schlüsselbegriffe und ihrer Anwendbarkeit in verschiedenen Kontexten) festgelegt wären.

Die Energiewende steckt in vielerlei Hinsicht noch immer in ihren Kinderschuhen, aber durch die Verbesserung verschiedener Elemente, einschließlich der Umwandlung dieses Nischenmarktes in einen Mainstream-Prozess durch eine leichter zugängliche Medienberichterstattung, kann die Geschwindigkeit erhöht werden, mit der die derzeitigen traditionellen und zentralisierten Energiesysteme in eine von der Gemeinschaft geführte, gemeinschaftliche Anstrengung umgewandelt werden.